Promi-Geburtstag vom 29. Juni 2016: Gitte Hænning

Berlin - Sie war acht, als sie auf der Bühne stand und „Ich will meinen Papa heiraten” sang. Gitte Hænning wurde über Nacht damit in Skandinavien berühmt. Als Star aus dem liberalen Dänemark schaffte Hænning auch später in Deutschland den Durchbruch.
Da wünschte sich eine junge Frau einen Cowboy als Mann und rief dazu auf, „auch mal Nein” zu sagen. Für die Nachkriegsgeneration klang das wie ein Versprechen auf Aufklärung und Liberalität. Hænning, die heute 70 Jahre alt wird, ist diesem Bild treu geblieben.
Lässige Pullis, aparte Schuhe - Hænning hatte schon damals ein Faible für den originellen Auftritt. Später tauchte sie in ein weißes Ballonkleid oder verbarg ihren wilden Haarschnitt unter einer Mütze. Ihren skandinavischen Akzent liebte Deutschland auf Anhieb. „Ich brauchte kaum was zu machen, dann sagten schon alle 'Ohh! Wie niedlich!'”, sagte sie in einem „taz”-Interview.
Mit Interviews hält sich Hænning in den Tagen vor ihrem Geburtstag zurück. Seit Wochen macht ihr die Bandscheibe zu schaffen, mehrere Auftritte musste sie bereits absagen. Nun hoffe sie auf Besserung, teilte ihre Agentur mit.
Wie Mireille Mathieu, Nana Mouskouri oder Milva knüpfte Hænning mit ihrem Erfolg an das Fernweh der Deutschen an. In ihren Popsongs schwingt der Jazz mit, eine musikalische Vorliebe der Dänin, die das Publikum erst viel später entdeckte. Doch „Ich will 'nen Cowboy als Mann” ist wie kein anderer Titel mit Hænnings Karriere verbunden. Mit 16 Jahren präsentierte sie sich damit 1963 bei Schlagerfestspielen in Baden-Baden und gewann den ersten Preis.
Schnell nach ihrer Ankunft auf dem deutschen Schlagermarkt Anfang der 60er-Jahre erstürmte sie im Duo mit Rex Gildo die Charts. „Vom Stadtpark die Laternen” bis „Jetzt dreht die Welt sich nur um dich” - Hænning wurde schnell von den Deutschen vereinnahmt. 1973 vertrat sie die Bundesrepublik beim Eurovision Song Contest in Luxemburg, wo sie Achte wurde. Dann bekam die Dänin ihre erste TV-Show und unternahm Ausflüge in den Film als Schauspielerin.
Doch immer wieder haderte sie mit dem Erfolg. Sie sei drauf und dran gewesen, den Job an den Nagel zu hängen, sagte sie später in einem Interview. Mit der künstlerischen Trennung vom Vater, der sie früh auf den Schlager festgelegt hatte, eroberte sich Hænning neue Freiräume. Ihr Vater Otto Johansson, ein Liedermacher, habe in ihr ein Vehikel für seine eigene Karriere gesehen, beklagte sie sich. Mit einem Jazz-Konzert 1997 in Berlin und den Alben „Songs For My Father” und „Johansson” setzte sie Jahre später Zeichen der Versöhnung.
Den Weg von der Schlagersängerin zur anspruchsvollen Pop-Vokalistin ging Hænning etwa mit der deutschen Version von Andrew Lloyd-Webbers „Take That Look Off Your Face” („Freu' dich bloß nicht zu früh”) oder dem Konzeptalbum „Bleib' noch bis zum Sonntag”, mit dem sie 1980 den Deutschen Schallplattenpreis gewann. Später bekannte sie sich offen zur musikalischen Wandlung mit Hommagen an Ella Fitzgerald und Judy Garland.
Anfang der 80er-Jahre entstanden mit „Etwas ist geschehen”, „Ich will alles” und „Lampenfieber” einige der größten Erfolge der Sängerin. Sie waren auch so etwas wie Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins.
Nach Stationen in Paris und Rom ließ sich Hænning Mitte der 90er Jahre in Berlin nieder. Dort entstand in Zusammenarbeit mit ihrem damaligen Lebensgefährten, dem Produzenten Friedrich Kurz, das Musical „Shakespeare und Rock'n'Roll”. Danach trat sie in George Taboris „Zauberflöte” im Zelt auf. „Gitte, Wencke, Siw” - Hænnings skandinavisches Trio mit Wencke Myhre und Siw Malmkvist, zunächst als einmalige Show geplant, sorgte über Jahre für ausverkaufte Hallen.
Später folgten auch Theaterauftritte und Jazz-Konzerte, Shakespeare-Abende mit Vadim Glowna und Elisabeth Trissenaar. Hænning suchte weiterhin die Herausforderungen. Ein schwerer Rückschlag war der Tod ihrer zwei Jahre älteren Schwester Jette 2012. „All by myself” („Ich ganz allein”) nennt sich Hænnings aktuelle Tournee. Der Titel dürfte Programm sein. (dpa)