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Phänomen «Tunte» Phänomen «Tunte»: Über das Spiel mit den Geschlechterrollen

Von Gregor Tholl 30.04.2007, 06:00
Die Unterhaltungskünstlerin Lilo Wanders (r.) kommt in Hamburg mit Drag Queen Olivia Jones zur Eröffnung des Varieté-Theaters «Kehrwieder» in Hamburg. (Foto: dpa)
Die Unterhaltungskünstlerin Lilo Wanders (r.) kommt in Hamburg mit Drag Queen Olivia Jones zur Eröffnung des Varieté-Theaters «Kehrwieder» in Hamburg. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Der Psychologe und AutorPatrick Hamm hat im schwul-lesbischen Querverlag «Die Diva ist einMann. Das große Tuntenbuch» zur Aufklärung herausgebracht. Er wollezur Rehabilitation der Tunte beitragen, sagt er. Die Klischees vonKnickhand und Colliergriff werden bei seinem Ausflug in den«Tuntenkosmos» differenziert betrachtet und um andere Facettenergänzt.

   «Alle, die in welcher Form auch immer das alte Bild vonMännlichkeit und Weiblichkeit in Frage stellen, ergeben in ihrerUnterschiedlichkeit "die Tunte"», schreibt TV-Star und - nach eigenenWorten - «Tunte» Lilo Wanders alias Ernie Reinhardt im Grußwort.

   Laut «Duden» ist eine Tunte ein «Homosexueller mit femininemGebaren». Eine Tunte muss also nicht unbedingt Frauenkleider tragen.Doch vor allem in Berlins Homo-Subkultur ist der Begriff gernedahingehend umgedeutet worden. Der oft abfällig gebrauchte Begriffwurde so zurückerobert und zu einem Ausdruck des Stolzes. Da heißt esdann, es komme nicht darauf an, wie man sich bewegt, sondern was manbewegt.

   Im Tuntenbuch werden etwa die spezielle Körpersprache erklärt oderÜberfiguren wie Dame Edna alias Barry Humphries oder Mary alias GeorgPreusse porträtiert. Darüber hinaus lässt das Buch mehr als 100Szene-Größen in Interviews zu Wort kommen. In ihren Antworten räumensie mit Klischees auf - zum Teil auch unter der Gürtellinie. Diemeisten haben sich amüsante Namen gegeben wie Daphne de Baakel oderBarbie Breakout, andere auch absichtlich bürgerliche wie EdithSchröder oder Margot Schlönzke.

   Besonders unterhaltsam sind die Listen im Buch. Sie handeln etwavon den klassischen Tunten-Wörtern («Huch», «Schalömchen») oder dentuntigsten fiktiven Tieren (Biene Majas Freund «Willi»). Außerdemkommen Verweise auf Filme mit Tunten nicht zu kurz wie etwa «Manchemögen's heiß», «Ein Käfig voller Narren», «Der Schuh des Manitu» oder«Priscilla - Königin der Wüste». Der Leser bekommt einen sattenEinblick in die Szene, von der er sonst nur Häppchen hingeworfenbekommt - etwa bei der Berichterstattung über die alljährlichenSchwulenparaden im Sommer.

Zeitgleich hat der Berliner Querverlag ein Buch zum Gegenphänomenveröffentlicht, also über Frauen in Männerposen. Es ist wesentlichernsthafter und heißt «Drag Kings. Mit Bartkleber gegen dasPatriarchat».

Patrick Hamm (Hrsg.): Die Diva ist ein Mann. Das große Tuntenbuch, Querverlag, Berlin, 224 S., Euro 19,90

Pia Thilmann/Tania Witte/Ben Rewald (Hrsg.): Drag Kings, Querverlag, Berlin, 224 S., Euro 19,90