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Tödliche Behandlung Patientin stirbt - Haftstrafe für Narkosearzt

Während einer Narkose erleidet eine Frau einen Atem- und Herzstillstand. Der Anästhesist soll das nicht sofort bemerkt haben. Er soll nun ins Gefängnis - und nicht mehr als Anästhesist tätig sein.

Von dpa Aktualisiert: 22.08.2025, 12:05
Rund fünfeinhalb Jahre nach dem Tod einer Patientin kommt es zu einem Urteil. (Archivbild)
Rund fünfeinhalb Jahre nach dem Tod einer Patientin kommt es zu einem Urteil. (Archivbild) Paul Zinken/dpa

Berlin -    Eine Patientin erleidet während einer Narkose einen Atem- und Herzstillstand. Die 59-Jährige stirbt rund drei Monate nach dem Eingriff. Rund fünfeinhalb Jahre nach ihrem Tod hat das Landgericht Berlin den Narkosearzt zu einer Haftstrafe von drei und drei Monaten verurteilt. Es sprach den heute 78-Jährigen der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig. Zudem soll er nicht mehr als Anästhesist tätig sein können. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Dem Mediziner mit deutscher und bulgarischer Staatsangehörigkeit sind nach Überzeugung der Richter mehrere Versäumnisse anzulasten. Der Angeklagte habe „leichtfertig“ mehrere Standards verletzt, sagte Richterin Eva Raidt. 

„Grobe Behandlungsfehler“

Er habe „ganz, ganz grobe Behandlungsfehler“ begangen und mit einer „an Vorsatz grenzenden Fahrlässigkeit“ gehandelt, so die Richterin. Der 78-Jährige habe in dem Glauben gehandelt, es werde schon gut gehen. Für das Gericht ist dies ein „Ausdruck einer maßlosen Selbstüberschätzung“. 

Die Patientin war am 27. Januar 2020 bei einem Orthopäden in Berlin-Kreuzberg wegen eines Rückenleidens behandelt worden. Sie sollte eine schmerzstillende Spritze in den Lendenwirbelbereich bekommen. Der Orthopäde habe den Anästhesisten hinzugezogen, um die Frau in eine kurze Narkose zu versetzen.

Doch bei dem Eingriff kam es zu Komplikationen: Die Patientin erlitt einen Atem- und Herzstillstand. Es kam zu einem schweren Hirnschaden und die Frau fiel in ein Wachkoma. Eine in der Arztpraxis versuchte Reanimation blieb erfolglos. Die 59 Jahre alte Mutter erwachte bis zu ihrem Tod aufgrund einer Lungenentzündung Ende April 2020 nicht mehr.

Prozess erst nach rund fünf Jahren 

Erst gut fünf Jahre später kam der Mediziner vor Gericht. Laut Richterin Raidt ist dies vor allem auf eine Überlastung der Justiz zurückzuführen. Die lange Verfahrensdauer habe das Gericht bei seinem Urteil berücksichtigt. Die Strafe bewege sich am alleruntersten Rand, so Raidt. Bis zu 15 Jahre Haft sind nach dem Gesetz möglich. 

Mit seinem Urteil blieb das Gericht etwas unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Diese hatte eine Strafe von drei Jahren und neun Monaten gefordert. Die Verteidigung hatte einen Freispruch beantragt. 

Tochter verfolgt dramatisches Geschehen

Seit Anfang Mai versuchte das Gericht zu rekonstruieren, was sich seinerzeit bei der Behandlung abgespielt hat. Dabei spielten die Aussagen der Tochter der Patienten eine große Rolle. Sie hatte in den Praxisräumen während des Eingriffs gewartet - und hörte plötzlich ein Japsen, wie es Richterin Raidt bei der Urteilsbegründung beschrieb. Die Tochter habe durchs Schlüsselloch geschaut und gehört, wie der Arzt rief: „Jetzt nicht, jetzt nicht. Komm zurück.“

Der Anästhesist setzte schließlich laut Urteil einen Notruf ab. Die dramatischen Ereignisse verschwieg er nach Überzeugung des Gerichts jedoch. Die Notärztin sei nicht umfassend und wahrheitsgemäß über den Verlauf der Behandlung informiert worden. Auch später habe er auf Nachfragen unwahre Angaben gemacht. Eine Klinikärztin erstattete seinerzeit Anzeige, weil im Krankenhaus ein Reanimationsgeschehen zunächst unbekannt gewesen war. 

Gericht: Patientin wurde nicht aufgeklärt

Bevor es überhaupt zu dem Eingriff kam, hat der Arzt nach Überzeugung des Gerichts die Patientin nicht über die Risiken einer Vollnarkose und mögliche Alternativen aufgeklärt. Er habe sie auch nicht nach Größe und Gewicht gefragt. Schließlich habe er ohne Überwachung sediert und die Notfallsituation und deren Ernsthaftigkeit nicht erkannt. Durch den Atem- und Herzstillstand sei die Frau minutenlang ohne Sauerstoffversorgung geblieben.

Der bislang unbescholtene Arzt hatte vor Gericht gesagt, er habe große Schuldgefühle. Er ist nach eigenen Angaben heute als Anästhesist bei Schönheits-Operationen tätig. „Dazu sind sie unseres Erachtens nicht mehr geeignet“, so die Richterin.