Ostalgie Ostalgie: Zehn coole Dinge aus der DDR
Das ehrliche Waschwunder
Berlin - Na hoppla, das ist aber mal ein flotter Slogan: „Fit – ohne abzutrocknen“. Schon damals cool, gilt er auch heute noch. Er preist ein Spülmittel an, das sich nicht nur durch hohe Spülkraft auszeichnet, sondern ebenfalls durch ein perfekt gestaltetes Gebinde. Vollkommen zu Recht gab es dafür die Auszeichnung „Verpackung des Jahres 2014“ – verliehen vom honorigen Deutschen Verpackungsmuseum in Heidelberg.
Erfunden wurde „Fit flüssig“ 1954 bei der VEB Fettchemie in Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz. Damals war die Flüssigseife noch gelb, aber die Flasche hatte schon ihre charakteristische Form, die sich auch heute noch in den Supermarktregalen bewährt: Ihr Design unterscheidet sich deutlich von all diesen angeblich hand- und augenschmeichelnden Spülmittel-Verpackungen. Dabei liegt nur die Fit-Flasche richtig gut in der Hand und will zudem nichts weiter sein als dies, nämlich eine Verpackung für ein Spülmittel.
Übrigens hat der Hersteller bislang allen Versuchungen widerstanden, durch eine Veränderung der Packungsgröße versteckte Preiserhöhungen durchzusetzen. Es gibt sie also noch, die ehrliche Verpackung!
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Welthits aus Leipzig
Im Nachhinein und aus westlicher Sicht betrachtet, hat der Karat-Song „Über sieben Brücken musst Du gehen“ der restlichen DDR-Pop-Musik irgendwie auch geschadet. Wir im Westen jedenfalls kannten den Über-Hit in der Version von Peter Maffay und hielten das für eine gerade noch annehmbare Musik – wenn das schon das Beste aus dem Osten sein sollte, konnte der große ganze Rest nicht wirklich etwas taugen.
Wie gemein: Karat und Maffay blockierten das weitergehende Interesse, weswegen etliche Nachwendejahre ins wiedervereinigte Land gehen mussten, bis auf einer Berliner Feierlichkeit sich die musikalische und also die eigentliche Wende ereignete: Ich wollte es kaum glauben, aber zwei Lieder von Karussell, nämlich „Flimmertheater II“ und „Wochentag“, senkten sofort den übrigen Lautstärkepegel, weil die bis dahin fröhlich vor sich hinschnatternden Partygäste nur noch den Texten zuhören wollten.
Die Leipziger Band besang den tristen Alltag, der alle Träume erstickt, in schönen Reimen und zu hymnischen Klängen. Das hätten sehr wohl Welthits werden können, wenn sie nicht in einem zugesperrten Land entstanden wären. Großartige Musik.
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Zum Wegkugeln
Viel zu spät gelangten diese Ost-Schokokugeln in den West-Supermarkt. Mein Gott, was haben wir da verpasst! Wovon haben wir die ganze Zeit nicht gewusst, dass wir es eigentlich immer schon haben wollten! Tjaha, die Halloren-Kugeln – aus der Schokoladenfabrik AG, wie das einstmalige Süßwarenkombinat Halle mittlerweile heißt.
In der „klassischen“ Mischung enthalten die Kugeln einen herrlich pappigen Zuckerschaum, der ein Sahne-Kakao-Aroma enthalten soll, in jedem Fall aber so pappsüß ist, dass einem Hören, Sehen und gleich noch alle anderen Sinne vergehen. Halloren-Kugeln sind als Süßigkeit vor allem eins: süß. Und von einer atemberaubenden, eben schaumgetriebenen Künstlichkeit. Ein Fest für alle, die nicht an den Tinnef mit den naturechten Inhaltsstoffen glauben. Der Schokoüberzug sorgt ansonsten für eine angenehme, allerdings nicht übertriebene Resthaptik für die Zunge.
Klar, dass es längst andere Geschmacksrichtungen gibt. Hier wollen wir allerdings auf ein feines Rezept hinweisen: Zwei oder drei Kugeln in einen Becher mit heißer Milche geben. Fertig. Lecker. Ein kulinarischer Knaller.
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Retroschicker Erfolgsroller
Mit einem Motorroller sagenhafte 60 Stundenkilometer schnell durch die Landschaft knattern – das geht nur mit der welteinmaligen Simson Schwalbe. Vor über 50 Jahren begann die Produktion des Kraftrollers 51, so die Baureihenbezeichnung, heute immer noch 150.000 dieser Oldtimer, und das, obwohl seine Produktion bereits 1986 endete.
Womit wir noch einmal auf Attribut „welteinmalig“ zurückkommen wollen. Die besteht nämlich nicht nur in der – im deutsch-deutschen Einigungsvertrag festgelegten – 60 Stundenkilometern Spitzengeschwindigkeit, sondern zum Beispiel auch darin, dass Vorder- und Hinterrad des Zweitakters gleich sind. Toll, oder? Das erleichtert die Reparatur enorm. Ein weiterer Vorzug sind die stabilen Blechteile – die schützen nicht nur den Fahrer, sondern auch das technische Innenleben bei Wind und Wetter. Die Schwalbe ist ein unverwüstlicher Erfolgsroller.
Und dann ist da ja noch das Design. Die immer noch erstaunliche Gegenwart der Schwalbe hat keineswegs mit Ostalgie zu tun, sondern mit ihren retroschicken Blechwölbungen. Angesichts der heute vorherrschenden Stromlinienform ließe sich gar von barockem Blech sprechen.
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„She is Sunny, they will say. Some Day”
Ein Film über Menschen und ihre Träume. So einfach, so schön, so aktuell. Wer diesen Sommer einen Berlin-Film aus vergangenen Zeiten (wieder)entdecken will, es muss dieser sein. „Solo Sunny“, aus der DDR. Sunny will den Durchbruch als Sängerin schaffen. Sie ist jung und hat dafür den Job geschmissen, lebt allein in Prenzlauer Berg, ist aber eigentlich immer unterwegs mit einer Band. Sie singen auf Bockbierfesten und zu Tanzabenden. Sunny verliebt sich in den Philosophen Ralph und als er einen Song für sie schreibt, hegt die junge Frau immer mehr die Hoffnung, irgendwann ihr großes Solo zu singen.
Regisseur Konrad Wolf, einer der wichtigsten DDR-Regisseure, warf Gefühle auf die Leinwand und den Alltag junger Menschen zwischen Hinterhof im Altbauviertel und sozialistischem Wohnungsbau. „Wollen Sie ein paar Eier. Alle essen gerade Eier“, sagt Sunny, als sie Ralph anspricht, mit einer Schale Frühstückseiern in der Hand. Ein poetischer und zugleich so lebensnaher Film, der 1980 bei seinem Erscheinen in der DDR von den Zuschauern gefeiert wurde. Ihre Leben und Wünsche hatte Wolf mit der Außenseiterin Sunny – die eigentlich Ingrid Sommer heißt – auf Zelluloid gebannt. Ebenso mit ihrer früheren Kollegin Christine oder Taxifahrer Harry, der Sunny den Hof macht.
Auch im Westen fand der Film große Anerkennung. Zur Berlinale erhielt Schauspielerin Renate Krössner, bis heute eng mit der Rolle verbunden, den Silbernen Bären. Drehbuch und Co-Regie kamen vom großartigen Wolfgang Kohlhaase. Der Film, ein Klassiker!
Auf der nächsten Seite: Ostdeutsche Hochkultur aus Leipzig und ein Stoff, der nicht Nylon heißen durfte.
Der niedliche Honigbär
Dieses possierliche Wesen hat es in sich. Leckeren, zumindest aber knallsüßen Honig gibt es her. Schon zu DDR-Zeiten war der Honigbär ein gern gesehener Gast auf dem Frühstückstisch, zum Glück gibt es ihn immer noch. Besonders Kinder haben ihn gern. Warum der Honigspender in Bärengestalt daherkommt, muss allerdings ein starkes Rätsel genannt werden. Schließlich stellen Bären keinen Honig her, sondern fressen ihn den fleißigen Bienen weg.
Nun möchten wir dem Honigbären dennoch die Ehre erweisen, denn es gibt tatsächlich ein Tier, das so heißt. Ein außergewöhnliches Tier, auch Wickelbär genannt: Von allen anderen Kleinbären unterscheidet er sich durch einen langen, greiffähigen Schwanz, den er wie zum Bespiel auch Affen zum Klettern einsetzt. Der in den Tropenwäldern Mittel- und Südamerikas verbreitete Potos flavus ist ein Baumbewohner. Ein Mischwesen, das wie ein Bär als Einzelgänger jagt und ansonsten wie ein Affe in Gruppen lebt.
Toll. Davon ist unser Frühstücksbär natürlich weit entfernt. Aber er bringt die notwendige Niedlichkeit auf den Tisch. Was beweist: Auch in der DDR gab's verspielten Tinnef, nicht nur die öde Zweckform.
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Ein Stück Kindheit
Wer die DDR in den 80er-Jahren als Kind erlebt hat, genoss viele Sonnenseiten des Lebens. Zugleich war die Zukunft weniger vorbestimmt, als man ahnen konnte. Eine Serie, die zu dieser Kindheit einfach dazu gehörte, war „Spuk im Hochhaus“. Das Wirtshauspaar Jette und August aus dem 19. Jahrhundert gelangt durch einen Fluch in ein Berliner Hochhaus und muss sieben gute Taten vollbringen, damit es erlöst werden kann. Die Kinder bestaunen, dass sie durch Wände gehen können und freunden sich mit den Geistern, den sonderbaren Gästen, an.
Die Platte, sie ist heute eng verbunden mit der Vorstellung von der DDR, auch wenn die Hochhausviertel am Ostberliner Stadtrand zum Beispiel erst in den 80er-Jahren so richtig in den Himmel wuchsen. In diesen Spuk-Episoden wird die Platte jedenfalls zur Metapher für Abenteuer einer ganzen Kindergeneration. Allen Unkenrufen zum Trotz, hier zeigt sich einfach: Platte ist cool!
Genauso bekannt sind die anderen Geschichten aus der Spuk-Reihe von Regisseur Günter Meyer, „Spuk von Draußen“ (1987) und allen voran „Spuk unterm Riesenrad“ (1978), das den Erfolg begründet hat. Der Riesenrad-Spuk läuft übrigens am Wochenende beim Sommertheater im Spreepark – dort, wo die Figuren dafür auch zum Leben erweckt wurden. Nächste Vorstellung am Freitag (21. August), 15 Uhr und 19.30 Uhr.
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Kunst aus Leipzig
Die so genannte „Leipziger Schule“ steht für moderne Malerei aus Leipzig, von Künstlern der Leipziger Kunstakademie in der DDR, der späteren Hochschule für Grafik und Buchkunst. Mit der Alten Leipziger Schule sind vor allem die Namen Bernhard Heisig, Werner Tübke und Wolfgang Mattheuer verbunden.
Ihnen allen gemein ist das figurenbetonte Malen. Sie prägten den sozialistischen Realismus in der DDR-Malerei. Mit eigenem Akzent: mit surrealen Zügen, Themen wie Krieg und dem Spannungsfeld von Anpassung und Auflehnung. Sie eröffneten Raum zum Interpretieren bei aller Staatsnähe, die es zweifellos gab. Arno Rink, Schüler bei Heisig und später Begründer der „Neuen Leipziger Schule“, stellt seine monumentalen Werke gerade in Rostock aus. Er gestaltete das Wirken an der Hochschule in Leipzig von 1987 bis 1994, als Gestalter der Wendezeit.
Wer statt zur Ostsee lieber für einen Ausflug aufs Land will, dem sei Aschersleben in Sachsen-Anhalt ans Herz gelegt, wo einer von Rinks Schülern regelmäßig ausstellt: Neo Rauch, einer der bedeutendsten und erfolgreichsten deutschen Gegenwartsmaler. Rauch hat eine Auflage seines grafischen Werkes der Stadt Aschersleben geschenkt. Auch je ein Exemplar aller künftig entstehenden Grafiken geht nach Aschersleben. In die Stadt, in der Rauch aufgewachsen ist, bevor er zurück in seine Geburtsstadt Leipzig ging. Zu sehen sind die Grafiken in einem Industriebau, der – wie passend zu Rauchs Bildern – inmitten eines einstigen Landesgartenschaugeländes steht.
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Nicht ohne (m)einen Beutel
„Vergiss den Beutel nicht“, ein Satz, der noch heute im Ohr klingt. Egal, wohin es ging, wenn man aus der Wohnung stürzte – sobald es irgendetwas mit Einkaufen oder dem anderweitigen Tragen von Gegenständen zu tun hatte, musste eben ein Beutel mit. Beim Bäcker wurde er über den Tresen gereicht. Eins, zwei, drei, vier,… So flogen die bestellten Schrippen und Splitterbrötchen hinein.
Außerdem ist es mehr als ein simples Klischee, dass es unterwegs immer noch etwas Gutes zu kaufen geben konnte. Man wusste eben nie, was sich so ergibt, und Plastiktüten gab es zu DDR-Zeiten nicht. Dafür die Beutel aus Nylon-Fasern á la DDR, die Kittelschürze zum Alltags-Shopping. Der Jutebeutel ist der heutige Wiedergänger in dem ernsthaften Versuch, der Umwelt Gutes zu tun – oder bei Hipstern, um einfach nur cool auszusehen. Wussten schon die Ossis, könnte man sagen. Allerdings gibt es zu bedenken, dass auch sie zur Wendezeit fleißig begannen, auf allzeit bereitliegende Plastiktüten zurückzugreifen.
Die Dederon-Beutel – so hießen die Beutel in der DDR – neu aufzulegen, darauf hat sich in Berlin seit ein paar Jahren eine junge Designerin spezialisiert. So erleben sie stilecht ein Revival. Derweil wird immer noch das gute alte Einkaufsnetz völlig unterschätzt. Aus Nylon oder Eisengarn war es für schweres Tragen häufig mit Lederriemchen als Henkel ausgestattet. Super praktisch! Darf gern wieder wiederkommen. Im Netz ist das Netz zu haben, zum Beispiel bei Portalen für Ost-Produkte und auf Ebay.
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Das Kombinat ist tot, es lebe das Kombinat!
Was in Berlin-Mitte die Manufaktur, ist anderswo vielfach das Kombinat. In der DDR waren es die Großbetriebe, mit denen alles besser und ertragreicher werden sollte – was, wie sich noch herausstellen sollte, ein Fehlgriff war. Vor der Wende war das Kombinat in Westdeutschland ein Begriff, den sich junge Leute aus Künstler- und Medienkreisen gerne gaben, wenn sie sich als dezidiert links ausweisen wollten.
Dafür besteht der Begriff vielfach heute noch, erlebt aber auch politisch unbesetzt ein kleines Revival. Wer keine Scheu davor hat, sich im Etikettenladen der Ostdeutschen zu bedienen, klebt sich Kombinat gern auf sein Kulturprojekt, aber auch Unternehmen, Boutiquen und Bars greifen ihn auf - ob in Berlin zum Beispiel Stiefel-Kombinat, Bier-Kombinat oder ein Café mit dem insgesamt ostdeutsch angehauchten Namen Kombinat Schmackofatzke.
Das Hebbel am Ufer (HAU) gibt sich übrigens seit gut zehn Jahren auch den Beinamen "Theaterkombinat", seit es drei Spielstätten unter einem Dach vereint hat. Meist steht Kombinat einfach für einen gewissen Vintage-Stil oder dafür, dass die ostdeutsche Herkunft betont werden darf, wie beim seit 1998 bestehenden Projekt Kombinat100. Vielleicht steht es manchmal aber auch einfach nur dafür, dass jemand das Wort „Manufaktur“ nicht mehr hören konnte.