Orkan an der Nordseeküste
Hamburg/dpa. - Orkan über der Nordsee: Ems-Sperrwerk geschlossen, Fähren in den Häfen, höchste Alarmstufe an der schleswig-holsteinischen Küste, Rotterdamer Hafen dicht, Ölförderung vor Norwegen gestoppt, Evakuierungen in England. Mit bis zu 126 Stundenkilometern wütete Herbststurm «Tilo» am Freitag über Teilen West- und Nordeuropas.
Den ost- und nordfriesischen Inseln drohten Überflutungen. Im Hamburger Hafen wurde für Freitagnachmittag eine schwere Sturmflut erwartet. In Deutschland erreichte die Flut am Freitagvormittag zuerst die ostfriesische Insel Borkum und drückte das Wasser in den Hafen. «30 Zentimeter mehr, und wir hätten den Hafen evakuieren müssen», sagte ein Inselsprecher. Wegen der erwarteten schweren Sturmflut war Freitagvormittag das insgesamt 476 Meter lange Emssperrwerk an der niedersächsischen Küste bei Emden geschlossen werden, um die Überflutung des Hinterlandes zu verhindern.
In Nordfriesland fuhr keine Fähre zwischen Sylt und der dänischen Insel Röm. Auch die Schiffsverbindungen vom Festland zu den Halligen Hooge und Langeneß waren unterbrochen, weil der Wasserstand an den Molen zu hoch zum An- und Ablegen war. Auf den Halligen könnten die Orkanböen am Freitagabend bis zu 140 Stundenkilometer erreichen, warnte der Wetterdienst Meteomedia. Die Meteorologen riefen am Freitagmorgen für die nordfriesische Küste die höchste Warnstufe violett aus.
In Hamburg wurde im Laufe des Tages eine schwere Sturmflut mit Wasserständen von bis zu 3,50 Meter über dem mittleren Hochwasser erwartet, sagte der Leiter des Sturmflutwarndienstes beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), Sylvin Müller-Navarra, am Freitag in Hamburg. «Nachdem es zunächst in der Nacht so aussah, dass die Sturmflut schwächer ausfallen könnte, scheint nun unsere Prognose doch einzutreffen», sagte er. Die Deutsche Bucht sei das am stärksten von Sturmfluten bedrohte Gebiet weltweit.
Tausende Menschen im Osten Englands wurden nur knapp von schweren Überschwemmungen verschont. Am Morgen stiegen die Pegelstände der Nordsee durch die starken Stürme in der Nacht zum Freitag zwar gefährlich an, doch blieben sie meist unter dem Niveau der Schutzwälle. Nur vereinzelt wurden in Küstenorten Straßen und Keller überschwemmt. Seit Donnerstagabend hatten fast 1000 Menschen die Nacht in Notunterkünften verbracht. Sicherheitshalber wurde das Flutwehr der Themse geschlossen, das London und andere Orte am Ufer des Gezeitenflusses schützt.
Die Niederlande hatten zum ersten Mal überhaupt das 1997 fertiggestellte Sturmflutwehr vor dem Rotterdamer Hafen wegen des hohen Wasserstandes geschlossen. Die beiden jeweils 210 Meter langen getrennten Flügel des riesigen Bauwerks wurden um Mitternacht in den Schifffahrtsweg geschwenkt. Die Sperrung sollte nach Behördenangaben bis Freitagabend dauern.
Der schwere Herbststurm hatte in der Nacht zum Freitag Teile der norwegischen Öl- und Gasförderung lahmgelegt. Wie der Rundfunk in Oslo berichtete, wurde die Produktion eingestellt, um die Plattformen auf See bei Gefahr sofort evakuieren zu können.