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Online-Versandhandel für Christbäume Online-Versandhandel für Christbäume: Berliner Start-up verkauft Weihnachtsbäume online

Von Merle Sievers 11.12.2014, 14:15
Hans-Peter Honnens auf seiner Tannenkultur in Stapelholm: „Ich möchte nichts anderes machen.“
Hans-Peter Honnens auf seiner Tannenkultur in Stapelholm: „Ich möchte nichts anderes machen.“ Sievers Lizenz

Köln - Der „charmante Leander“ macht seinem Namen alle Ehre. Er piekst nicht, er lässt sich nicht hängen sondern steht schön stramm bei Familie Küpper im Wohnzimmer. Macht einen guten ersten Eindruck, der Leander.

Nun ist Leander nicht etwa der neue Freund der Tochter. Das Ehepaar Küpper hat gar keine Tochter sondern zwei Söhne. Der „charmante Leander“ ist der neue Weihnachtsbaum der Familie, der seit dieser Woche schmuck und strack zwischen Sofaecke und Fernseher im heimischen Wohnzimmer in Köln-Longerich steht. Bruno Küpper hat den Baum in diesem Jahr zum ersten Mal nicht selbst herangeschafft, sondern im Internet bestellt. „Den Weihnachtsmarkt, bei dem wir sonst immer unseren Tannenbaum gekauft haben, gibt es dieses Jahr nicht mehr. Da musste ich mich nach einer Alternative umsehen und habe einfach mal gegoogelt“, erzählt der Immobilienmakler.

Dabei sei er dann auf die Website von „meinetanne.de“ gestoßen, ein Start-up-Unternehmen aus Berlin, das Weihnachtsbäume online verkauft. Da die Familie sowieso viele Dinge online shoppt, lag der Gedanke gar nicht so fern, auch den Baum online zu bestellen, erzählt Küpper. „Heutzutage kann man ja alles im Internet kaufen. Warum also keine Tanne?“

Gesagt, getan, geklickt. Im Web-Shop kann der Kunde zwischen drei Modellen wählen, die sich eigentlich nur in der Größe unterscheiden. Die Angebote aber schlicht mit 1,30 Meter, 1,50 Meter und 1,70 Meter zu betiteln, wäre langweilig und bei weitem nicht hip genug für einen modernen Online-Händler. Also hat der Betreiber den Bäumen Namen und Eigenschaften verpasst: Zur Auswahl stehen der „smarte Sven“, „der charmante Leander“ und der „große Karl“. Klein, mittel, groß. Eine Marketingstrategie, mit der sich die Kunden leicht identifizieren können. Hätte nicht jeder gerne einen charmanten Leander im Wohnzimmer stehen?

Woher die Idee für die Namen genau kam – daran kann Guido Veth sich nicht mehr erinnern. Sie klangen einfach gut. Woran sich der Unternehmer jedoch noch sehr gut erinnert, ist, wie ihm im vergangenen Winter die Idee zu „meinetanne.de“ kam. „Mein Auto war zu der Zeit kaputt und ich musste meinen Weihnachtsbaum kurz vor Heiligabend in der Berliner U-Bahn transportieren. Das war schwer, eng und umständlich, ich kam völlig entnervt zu Hause an.“ Eine schmerzhafte Erfahrung, die zu dem Plan führte, einen neuen Versandhandel für Weihnachtsbäume zu gründen.

Bäume sind im Gegensatz zu Blumen ein Markt, der im Internet noch kaum vertreten ist. Lediglich vier Prozent aller Weihnachtstannen in Deutschland wurden 2013 online verkauft. Guido Veth wollte trotzdem in diesen Markt investieren und versuchen, Tannenbäume im Netz zu verkaufen. Eigentlich arbeitet der Marketing-Fachmann für einen Online-Versandhandel für Schokolade, hat Erfahrung mit der Programmierung und Gestaltung von Websites. Über das Schokoladen-Geschäft hat er Zugriff auf die erforderliche Logistik, die es braucht, um einen Versandhandel zuverlässig zu betreiben: Lagerräume, Spedition, Buchhaltung, Arbeitskräfte. „Gute Voraussetzungen für ein Experiment in Grün“, sagt Veth. Einzig die Tannenbäume fehlten ihm, am liebsten Nordmanntannen. Aber in der Großstadt Berlin wachsen die nun mal nicht so gut.

Hätte nicht jeder gerne einen charmanten Leander?

In Norddeutschland dagegen wachsen sehr wohl Tannen, auch Nordmanntannen. Das Klima zwischen Nord- und Ostsee bekommt den Bäumen, außerdem gibt es dort Platz genug. Das weiß auch der selbstständige Forstwirt Hans-Peter Honnens. Er liefert die Weihnachtsbäume für den Versandhandel von „meinetanne.de“. Auf 35 Hektar Fläche züchtet Honnens in Stapelholm, einem Landstrich in Schleswig-Holstein, Weihnachtsbäume. Hinzu kommen weitere 45 Hektar Pachtfläche in Dänemark.

Wer Hans-Peter Honnens in diesen Tagen auf seinem Hof in Stapelholm besucht, merkt schnell, dass hier ein routiniertes Team am Werk ist, das sich über Jahre eingespielt hat. Da werden Bäume in Windeseile genetzt und gestapelt, Lkws werden beladen und Paletten abtransportiert.

Anders als Guido Veth in Berlin verkauft Hans-Peter Honnens seit 26 Jahren Weihnachtsbäume. Angefangen hat er mit einer Hand voll Bäume aus Dänemark, dann wurden es irgendwann ein paar Hundert, dann ein paar Tausend und schließlich um die Hunderttausend. Die Nachfrage stieg mit den Jahren – und mit dem Netzwerk. Je mehr Händler Honnens kennt, je mehr Kunden ihn empfehlen, desto mehr Bäume verkauft er.

Mit seinem neuen Geschäftspartner Guido Veth ist nun ein neues, überregionales Netzwerk dazu gekommen. „Vom Internet hab ich nicht so viel Ahnung. Auch nicht von Facebook und dem ganzen Kram, da bin ich sogar eher gegen“, sagt Honnens. „Aber ich hab’ Ahnung von Tannen.“

Gerader Stamm, weiche Nadeln, starke Äste

Wenn Honnens von seiner Arbeit erzählt, wird schnell klar, dass Tannenbäume keine reine Saisonware sind, die sich mit ein paar Wochen Arbeit am Jahresende abhandeln lässt. Das ganze Jahr sind er und seine Mitarbeiter damit beschäftigt, die Bäume zu pflanzen, zu hegen und zu pflegen. Regelmäßig gehen sie durch die Kulturen, prüfen die Zweige auf Schädlingsbefall und kürzen die Triebe von Hand. Eine Nordmanntanne braucht im Schnitt zehn Jahre um die durchschnittliche Größe eines Weihnachtsbaumes zu erreichen.

Honnens züchtet ausschließlich Nordmanntannen, da diese einen geraden Stamm und weiche Nadeln haben. Außerdem haben sie in der Regel stabile Äste, gut geeignet für schwere Christbaumkugeln und anderen Schmuck.

Doch nicht alle Tannen wachsen gleich schnell. In einer Kultur, in der alle Bäume zum selben Zeitpunkt gepflanzt wurden, finden sich kleinere und größere, dickere und dünnere Exemplare. „Mit Tannen ist es ähnlich wie mit Kindern: Man kümmert sich um sie, versucht, Einfluss zu nehmen und am Ende werden sie doch alle unterschiedlich“, erklärt Honnens und lächelt dabei.

Anfang November beginnt für Honnens der Endspurt. Dann werden alle Tannen mit der richtigen Höhe handverlesen und mit bunten Fähnchen den jeweiligen Abnehmern zugeordnet. Die Bäume werden geschlagen, müssen dann einige Tage ruhen und werden anschließend genetzt und vertrieben.

In den Wochen vor Weihnachten ist er voll und ganz mit der Abwicklung des Geschäfts beschäftigt. Ständig klingelt sein Handy. Er arbeitet sieben Tage die Woche, bis zu 16 Stunden am Tag. Da bleibt sogar seine größte Leidenschaft auf der Strecke, so viel verrät der verdreckte Fußball-Aufkleber am Heck seines Autos. Der Nordfriese Honnens ist Fan von Borussia Mönchengladbach. „Eigentlich hab ich sogar eine Dauerkarte und fahre zu jedem Spiel ins Stadion. Aber nicht um diese Zeit, das schaff ich einfach nicht.“

„Dass die Menschen sich an meinen Bäumen erfreuen“

In dem Punkt sind Tannenbäume eben doch ein Saisongeschäft: Zu tun hat man mit ihnen das ganze Jahr über, Umsatz bringen sie nur in den letzten sechs Wochen. Und trotz des enormen Stresspegels zum Jahresende liebt Honnens sein Geschäft und vor allem sein Produkt: „Ich möchte nichts anderes machen. Mir gefällt die Vorstellung, dass die Menschen einen meiner Bäume im Wohnzimmer stehen haben und sich daran erfreuen.“

Dass für die meisten Familien ein Weihnachtsbaum unweigerlich zum Fest dazu gehört, ist unbestritten. 2013 wurden 30 Millionen Weihnachtstannen in Deutschland verkauft, Tendenz steigend. Bleibt die Frage, ob es völlig egal ist, auf welchem Weg der Baum seinen Weg ins Wohnzimmer findet oder ob mit einer Online-Bestellung nicht auch ein Stück Kultur verloren geht. Was ist die Tradition: der Baum oder der Baum-Kauf?

Familie Küpper aus Köln legt viel Wert auf Tradition: Die selbstgebaute Krippe vom Opa wird pünktlich zur Adventszeit aufgebaut, an Heiligabend gibt es Gans, meistens sogar vorher noch ein Probe-Essen. Auch der Kauf des Weihnachtsbaums war früher Tradition.

Damals hat sich die ganze Großfamilie in die Eifel getroffen, ist gemeinsam durch den Wald gestrichen und hat die Weihnachtsbäume an ausgewiesenen Stellen selbst geschlagen. Seit einigen Jahren fahren die Küppers zwar nicht mehr in die Eifel, gehen aber auf einen Weihnachtsmarkt und kaufen ihren Tannenbaum dort. Nebenbei gibt es noch kleine Geschenke für die Kinder und Glühwein für die Erwachsenen.

Das Erlebnis des Weihnachtsbaumkaufs hat sich gewandelt, ist aber ein Erlebnis geblieben. Wurde dieses Erlebnis jetzt mit einem Klick zunichte gemacht? „Ein bisschen schon“, findet Birgit Küpper, nachdem sie die Tanne aus dem Karton gepackt haben. Den Kindern scheint es egal zu sein, wie der Weihnachtsbaum zu ihnen nach Hause kommt, Hauptsache an Heiligabend liegen die Geschenke drunter. „Wenn er noch ein bisschen größer wär, wäre er noch cooler“, findet der siebenjährige Basti und reckt sich nach dem Fähnchen an der Spitze.

Klar, unter einen größeren Baum passen auch größere Geschenke. Auf Bastis Wunschzettel steht immerhin ein Tischkicker und ob der unter dem charmanten Leander Platz findet, ist fraglich.

Familie Küpper aus Longerich entpackt den charmanten Leander.
Familie Küpper aus Longerich entpackt den charmanten Leander.
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Start-Up-Chef Guido Veth
Start-Up-Chef Guido Veth
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Honnens und seine Mitarbeiter gehen regelmäßig durch die Kulturen und verlesen die Bäume von Hand.
Honnens und seine Mitarbeiter gehen regelmäßig durch die Kulturen und verlesen die Bäume von Hand.
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Von Stapelholm werden die Tannen nach Berlin gefahren.
Von Stapelholm werden die Tannen nach Berlin gefahren.
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Bastian und Ben (l.) finden, dass der Baum ein bisschen größer sein könnte.
Bastian und Ben (l.) finden, dass der Baum ein bisschen größer sein könnte.
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