Ölpest Ölpest: Weitere US-Staaten rufen Notstand aus
Washington/dpa. - «Dieses Öl-Leck stellt eine ernsthafte Bedrohung für unsere Umwelt und Wirtschaft dar», sagte Alabamas Gouverneur Bob Riley. TV-Stationen berichteten über erste Vögel mit verkleistertem Gefieder.
Louisiana mobilisierte bis zu 6000 Nationalgardisten. Die Ölpest bedroht hochsensible Ökosysteme. Nach Berechnungen der Meeresbehörden könnte der Ölteppich über das Wochenende die Küsten Mississippis und Alabamas erreichen, am Montag dann auch die Küste West-Floridas. Zur Abstimmung der Schutzmaßnahmen am gesamten Küstenstreifen sollte es am Samstag auch eine Telefonkonferenz der Gouverneure mit der Ministerin für Heimatschutz, Janet Napolitano, geben.
Naturschutzgebiete im Mississippi-Delta werden vonden Ölmassen gefährdet, die am frühen Freitag die Küstengewässer desUS-Bundesstaates Louisianas erreichten. Das Öl sprudelt aus mehrerenLecks einer Ölleitung der gesunkenen Plattform «Deepwater Horizon»Das Unglück der «Exxon Valdez» gilt als die bisher schlimmste Ölpestder USA. Hunderttausende Vögel und Fische sowie tausende Säugetierestarben. Die Folgen sind bis heute zu spüren.
«Wir sind hier auf das Schlimmste vorbereitet», sagte dieSprecherin der Wildschutzbehörde von Louisiana, Laura Deslatte.Experten befürchten, dass sich die rostbraune Öl-Masse übersWochenende ihren Weg bis nach Florida bahnt. US-Präsident BarackObama geriet unterdessen wegen seiner Ölbohrpläne in die Kritik.
Der US-Präsident unterstrich in Washington, dass der britischeÖlkonzern BP für die entstehenden Kosten der Ölpest im Golf vonMexiko aufkommen muss. Der Energiekonzern erklärte am Freitag, manwolle die «volle Verantwortung» für den Ölteppich übernehmen. DasUnternehmen werde «saubermachen» und «rechtmäßigeSchadensersatzforderungen» akzeptieren, sagte ein Sprecher. DasUnternehmen sei per US-Gesetz dazu verpflichtete, die Kosten zutragen.
Obama erklärte im Weißen Haus, seine Regierung werde weiterhinalles zur Bereinigung der Katastrophe beitragen, was nötig sei. 1900staatliche Helfer seien bereits am Golf von Mexiko stationiert. 300Schiffe und Flugzeuge seien vor der Küste Louisianas im Einsatz.Außerdem würden sämtliche Ölplattformen vor den US-Küsten derzeit aufihre Sicherheit überprüft.
Obama reiste zunächst nicht in die Region, sondern schickteHeimatschutzministerin Janet Napolitano, Innenminister Ken Salazarund die Chefin der US-Umweltbehörde EPA, Lisa Jackson. Sie solltensich einen Überblick über das Ausmaß des Desasters verschaffen, dasam Vortag als Katastrophe «nationalen Ausmaßes» eingestuft wordenwar.
Umweltschützer zeigten sich besorgt über die Lage im Golf vonMexiko. «Das ist ein Desaster, jenseits jeden Ausmaßes, das ich jeerlebt habe», sagte ein Experte der Ozean-Gesellschaft in SanFrancisco, Stan Minasian, in US-Medien. Auch die Fischerei- undTourismus-Industrie verfolgen die Entwicklung mit großer Sorge, siesehen erneut ihre Existenz bedroht. Die US-Bundesstaaten Louisiana,Mississippi, Florida, Georgia und Alabama waren im August 2005 vomHurrikan «Katrina» heimgesucht und schwer verwüstet worden.
An der Küste Louisianas bereiteten sich Biologen auf die Rettungvon ölverschmierten Tieren vor, sagte Wildschutzexpertin Deslatte.«Wir durchforsten die Region nach Tieren, die durch das Öl in Notgeraten», sagte sie. Spezielle Stationen seien zur Säuberungeingerichtet worden.
Tausende Helfer waren an Land im Einsatz. Das Wetter arbeitetegegen sie: Starke Winde und eine raue See trieben den Ölteppich voranund verhinderten die Säuberungsarbeiten auf dem Meer. «Auch heutewird es nicht möglich sein, mit dem Abfackeln des Ölfilmsfortzufahren», sagte ein Sprecher der Küstenwache, Michael Abendhoff.
Animierte Grafik: Ölpest vor US-Küste
Bereits am Vortag hatten die Helfer Pläne aufgegeben, den auf dieKüste zutreibenden Ölteppich durch kontrollierte Brände aufzulösen.Er war am Freitag bis zu 72 Kilometer breit und bis zu 160 Kilometerlang. Hohe Wellen trieben das Öl auf das von Menschen unbewohnteWildschutzgebiet Pass-A-Loutre am Mississippi-Delta zu. NachBerechnungen der Meeresbehörden könnte der Ölteppich über dasWochenende die Küsten Mississippis und Alabamas erreichen. Diebislang verlegten Barrieren mit einer Länge von 61 Kilometernreichten nach Angaben der Experten längst nicht aus, um das Öl vonLouisianas Küste fernzuhalten.
75 Schiffe lagen am Morgen bereit, um die Mischung aus Öl undWasser aus dem Meer abzusaugen. Bislang hätten diese Schiffe rund2800 Tonnen abpumpen können, so die Küstenwache. Hilfstrupps habennach Angaben des Heimatschutzministeriums bis Freitag 380 000 Literan chemischen Mitteln ins Meer gekippt, um das Öl zu zersetzen.
Tausende Kilometer nördlich, in der Hauptstadt Washington, wurdeam Freitag eine Frage immer lauter: «Was ist falsch gelaufen?» In dieSchusslinie gerieten nicht nur der Ölkonzern BP und derPlattformbetreiber Transocean, sondern vor allem Obama. Der US-Präsident, der als Verfechter grüner Energien angetreten war, hatteUmweltschützer vor einem Monat vor den Kopf gestoßen, als er grünesLicht für Ölbohrungen vor der US-Küste gab. Der demokratische Senatoraus Florida, Bill Nelson, kritisierte Obama am Freitag. «Stoppen sieden Fünfjahresplan für Bohrungen vor der Küste», forderte er.
Auslöser der Ölpest ist der Untergang der BP-Bohrinsel «DeepwaterHorizon» vor gut einer Woche. Seitdem tritt das Rohöl in 1500 MeternMeerestiefe aus mehreren Lecks aus. Nach Schätzungen der US-Behördefür Ozeanographie laufen täglich etwa 700 Tonnen Öl ins Meer. Wenn esweiter in diesen Mengen sprudelt, dauert es keine zwei Monate, bisdas Ausmaß der «Exxon-Valdez»-Katastrophe an der Südküste Alaskaserreicht ist.
Damals flossen 40 000 Tonnen Rohöl aus. Es verschmutzte eineeinmalige, weitgehend unberührte Landschaft. Rund 2000 KilometerKüste waren betroffen. Auch heute - 21 Jahre nach der Katastrophe -sind in der Region noch die Folgen zu spüren, Tiere werdenschleichend vom Gift noch immer vorhandener Ölreste getötet.


