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Öko-Barometer Öko-Barometer: Junge Leute kaufen oft Bioprodukte

Von Ralf Böhme 01.09.2013, 19:10
Die Nachfrage nach ökologisch erzeugten Lebensmitteln steigt - vor allem bei jungen Leuten. Das registriert auch Gabriele Eichhorn in ihrem Bio-Laden in Halles Innenstadt.
Die Nachfrage nach ökologisch erzeugten Lebensmitteln steigt - vor allem bei jungen Leuten. Das registriert auch Gabriele Eichhorn in ihrem Bio-Laden in Halles Innenstadt. Andreas Stedtler Lizenz

Halle/Wittenberg/MZ - Ihm steht der Sinn nach Würstchen ohne Fleisch. Sie will Eier von glücklichen Hühnern. Oder einen guten Tropfen, dessen Trauben nicht gespritzt wurden. Und ein anderer braucht das gute Gewissen, wenn es schmecken soll. Was alle eint? Sie treffen sich irgendwann in einem Bio-Markt, beispielsweise im „Naturell“ von Gabriele Eichhorn in Halle. Der Geschäftsfrau, die hier seit fast zwei Jahrzehnten arbeitet, fällt auf: „Junge Leute geben sich seit ein, zwei Jahren regelrecht die Klinke in die Hand.“

Das neue Öko-Barometer des Bundesernährungsministeriums bestätigt diese Erfahrung: Demnach gaben 71 Prozent alle Befragten unter 30 Jahren an, Bioprodukte zu kaufen. Und 16 Prozent von ihnen erwerben ausschließlich oder häufig Ökowaren. 55 Prozent tun dies gelegentlich - ein Plus gegenüber dem Jahr 2010 von 16 Prozent. Sachsen-Anhalt macht da keine Ausnahme, vor allem in Städten mit Universitäten und Hochschulen ist diese Entwicklung unübersehbar. Bio-Geschäfte im Osten, dazu gehören auch die Bio-Abteilungen der Discounter, reagieren und sind auf Expansionskurs.

Grillwürste aus Getreide

Eichhorns „Naturell“ verkauft seit dem Umzug in die Große Steinstraße auf zwei Etagen, inklusive Naturkosmetik-Studio und einer grünen Kaffeestube. Man trifft dort zum Beispiel den künftigen Physiker Alexander Gerdes. Der 23-Jährige ernährt sich vegetarisch und schwört auf gesunde Soja-Produkte. Das Essen aus der Bio-Kiste entdeckt gerade auch Björn Garlipp. „Sich anders zu ernähren als die Eltern oder Großeltern, das ist eine spannende Erfahrung“, sagt der 24-jährige Geschichts- und Philosophiestudent.

Ihr Jura-Examen bestanden haben Katrin Elle und Hanna Zimmer, beide 25 Jahre alt. Während Katrin Elle ihre Lebensmittel „aus Prinzip“ fast ausschließlich aus dem Bio-Regal holt, sind bei Hanna Zimmer die Enthüllungen der großen Fleischskandale der Auslöser gewesen. „Seither kaufe ich nur noch Dinge, die nachweislich aus kontrollierter Erzeugung stammen.“ Ihr gemeinsamer Hit beim Grillen: Würstchen aus Getreide.

Szenenwechsel in den Landkreis Wittenberg, auf den Öko-Hof von Bauer Sven Gürth in Thießen. Dort können Besucher bei einem Tag der offenen Tür erleben, wie der biologische Kreislauf im Einklang mit der Natur funktionieren kann. Die Tiere haben zum Beispiel reichlich Auslauf, das Futter stammt aus eigenem Anbau - ohne chemische Keule. Katja Jambin aus Bülzig ist auf den Hof gekommen, um ihrer neunjährigen Tochter Grace zu zeigen, woher Wurst, Fleisch und Mehl kommen. Die Mutter, von Beruf Gärtnerin, sagt: „Gesund muss es sein, was ich den Kindern auftische.“ Wie die Frau von Anfang 30 haben auffällig viele junge Leute die Einladung in den Demonstrationsbetrieb für ökologischen Landbau angenommen.

Bäuerin Ines Gürth: „20 Jahre haben wir daraufhin gearbeitet, jetzt zahlt es sich langsam aus.“ Etwa jeder dritte Kunde im Hofladen, so schätzt sie, sei jünger als 35 Jahre. Vielleicht jeder Zehnte kaufe aus grundsätzlich ökologischen Erwägungen - „Tendenz steigend“. Tischlerlehrling Felix Benders Grund: „Mir ist wichtig, dass Tiere nicht leiden. “

Es schmeckt einfach“, sagt Student Sören Schöffel. „Und ich will wissen, was ich esse“, so der künftige Theaterwissenschaftler. Nahrungsmittel dürften nicht erst um die halbe Welt gekarrt werden. Nur so habe er beim Essen ein gutes Gefühl. Weniger, aber besser - dafür gibt Informatikerin Sarah Günther gerne auch etwas mehr Geld aus.

Bio-Produkte sind erst dabei, aus der Nische zu kommen - der Marktanteil liegt noch bei unter zehn Prozent, auch wenn der Gesamtumsatz längst über eine Milliarde Euro erreicht. Es gibt immer weniger Trend-Muffel. Nur noch 15 Prozent der Konsumenten, so das Öko-Barometer, wollen nie und nimmer Biowaren kaufen. Bei der letzten Umfrage im Jahr 2010 waren dies noch 25 Prozent. Die große Mehrheit wünscht dabei regionale Lebensmittel.

Öko-Brötchen als Chance

Einer der Gründe für das Ja zu Bio ist die artgerechte Tierhaltung, auf die laut Öko-Barometer 94 Prozent der jungen Leute setzen. Und das Versprechen Bio zieht immer mehr, weil in diesen Lebensmitteln die Schadstoffbelastung geringer ist.

Die Statistik sagt indes auch dies: Wenn es um Bio geht, sind die Sachsen-Anhalter - noch - keine Frühaufsteher. Das Land liegt im Mittelfeld, auch in der Produktion. Bio ist zuerst in Bayern zu Hause, gefolgt von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.

Immerhin kann Sachsen-Anhalt schon auf 518 Öko-Unternehmen verweisen, die rund 54 000 Hektar bewirtschaften. Das entspricht einem Flächenanteil von knapp fünf Prozent, weil es zumeist kleine Betriebe wie der von Bauer Gürth im Kreis Wittenberg mit 100 Hektar und 120 Schweinen sind. Ideen gibt es viele. So will Gürth verstärkt mit Bio-Getreide und Öko-Brötchen punkten. Dass er damit am Markt bestehen kann, merkt man an der Brötchentheke im halleschen „Naturell“. So bevorzugt Stammkundin Petra Hofmann die Bio-Brötchen – wegen ihrer guten Verträglichkeit, wie sie sagt.

Inhaberin Gabriele Eichhorn, die ihren Umsatz über die Jahre fast verdoppelt hat, ist sich jedenfalls sicher: „Bio – das ist die Zukunft.“