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Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen: Beerdigt im «Landhotel der Seele»

Von Yuriko Wahl 05.05.2006, 13:07
Ein Grabstein ist am Mittwoch (03.05.2006) in den «Gärten der Bestattung» in Bergisch-Gladbach zu sehen. (Foto: dpa)
Ein Grabstein ist am Mittwoch (03.05.2006) in den «Gärten der Bestattung» in Bergisch-Gladbach zu sehen. (Foto: dpa) dpa

Bergisch Gladbach/dpa. - Sprudelnde Bäche, plätschernde Brunnenund Skulpturen unter Schatten spendenden Bäumen - wer durch denkleinen Wald in Bergisch Gladbach bei Köln geht, bemerkt nichtsofort, dass er auf dem einzigen Privatfriedhof Deutschlands ist. Die«Gärten der Bestattung» wurden am Freitag offiziell in einerFeierstunde mit Vertretern aus Politik und Kultur eröffnet. «Wir sindder erste private Friedhof bundesweit, auf privatem Grund und inprivater Trägerschaft - und wir begreifen uns als Landhotel der Seele», sagt Bestatter Fritz Roth.

In dem 30 000 Quadratmeter großen Wald bestimmt der Hinterbliebenedie Lage und die Gestaltung des Grabs sowie die Beisetzung zu einerbeliebigen Tages- oder Nachtzeit selbst. «Frei von behördlichenAuflagen», wie Roth betont. In seiner Trauerakademie könnenAngehörige und Freunde ohne jeden Zeitdruck Abschied nehmen und sinddabei niemals ohne Begleitung. «Jeder Tod ist wie ein Erdrutsch. Wirmöchten Mut machen.» Er wolle Tod und Trauer aus der «Sterilität vonTotenkammern und Friedhofskapellen» herausholen in eine lebendigeUmgebung, erklärt der Bestatter sein Konzept. «Hier ist viel Platzfür Kommunikation, Kreativität und Selbstbestimmung.»

In Deutschland gibt es laut Bundesverband DeutscherBestattungsunternehmen rund 33 000 Friedhöfe. Seit wenigen Jahrensind so genannte Friedwälder zugelassen, von denen es derzeitbundesweit rund ein Dutzend gebe, sagt Verbandssprecherin KerstinGernig. Auf offenen Waldstücken, die den Kommunen - teilweise aberauch Privatleuten - gehören, werden dabei kompostierbare Urnen mitTotenasche unter einem Baum vergraben. Einen Grabstein gibt es nicht,auf Wunsch kann eine kleine Namenstafel am Baum angebracht werden.Dem Verband zufolge gelten die nicht abgegrenzten und nichtgestalteten Friedwälder streng rechtlich gesehen nicht als Friedhöfe,sondern als «Bestattungsplätze».

Die Zulassung des ersten Privatfriedhofs in Bergisch Gladbach seieine Antwort auf die unterschiedlichen Wünsche der Menschen, sagtGernig. «Es spiegelt wider, was sich an gesellschaftlichenVeränderungen mit hochgradigen Individualisierungs-Tendenzenabzeichnet.» Die gesamte Bestattungsbranche habe sich auf die neuenBedürfnisse eingestellt und sei im Wandel. «Bei der Beerdigung vonKindern steigen heute Luftballons auf, was vor einigen Jahren nochundenkbar gewesen wäre - oder dem Verstorbenen werden persönlicheGrabbeigaben mit gegeben auf die letzte Reise.»

Auf deutschen Friedhöfen herrsche teilweise eine starkeÜberreglementierung, kritisiert die Verbandssprecherin. Die neuen«Gärten der Bestattung» und ihre Freiheiten hält Gernig für eine«konsequente Reaktion» darauf. Das gelte auch für den Friedwald, derebenfalls Ausdruck einer Liberalisierung sei. Roth grenzt seine«Gärten» von den Friedwäldern dagegen vor allem in einem Punkt klarab: «Bei uns wird niemand namenlos bestattet.»

«Wir sollten nicht so distanziert mit dem Tod umgehen, ohne echtesBegreifen», sagt der 56-Jährige. «Für den Hinterbelieben kann es einhilfreiches Ritual sein, dem Verstorbenen die Kleider anzulegen oderihn mit in den Sarg zu betten.» Es werde zu schnell und immeranonymer bestattet. Sein Unternehmen mit 24 Angestellten kümmert sichjedes Jahr um 800 Bestattungen, auch in Berlin, Hamburg oderFrankfurt am Main. Jährlich kommen 20 000 Besucher aus ganzDeutschland in seine Trauerakademie.

Seit der Genehmigung Anfang November 2005 sind in den «Gärten derBestattung» 40 Gräber entstanden - meist schlicht gestaltet, an einemBach oder Baum gelegen. Die Stadt sehe ihn nicht als Konkurrenten,sagt Roth, der von einer großen Nachfrage ausgeht. Bei seinen Preisenzwischen 350 Euro für ein Minigrab bis zu 2000 Euro für einFamiliengrab habe er sich an kommunalen Tarifen orientiert. «DieserFriedhof soll für den Sozialamtsfall genauso da sein wie für denProminenten.»