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Niedersachsen Niedersachsen: Morde nach Dauerfehde im Kleingarten

Von Martina Steffen und André Jahnke 25.03.2009, 10:05
Der wegen Dreifachmord angeklagte Rentner Wilfried R. sitzt im Landgericht in Hildesheim auf der Anklagebank umringt von Kameraleuten und Fotografen. (FOTO: DPA)
Der wegen Dreifachmord angeklagte Rentner Wilfried R. sitzt im Landgericht in Hildesheim auf der Anklagebank umringt von Kameraleuten und Fotografen. (FOTO: DPA) dpa

Hildesheim/dpa. - Aufrecht und mit hochgerecktem Kinn betritt der66-Jährige den Gerichtssaal - das Blitzlichtgewitter der Fotografenschüchtert ihn nicht ein. Der Kleingärtner, der wegen dreifachenMordes an seinen Laubennachbarn angeklagt ist, wirkt wie jemand, dervon der Richtigkeit jeder seiner Handlungen überzeugt ist. «Ich binein ehrlicher Mann. Es ging mir stets ums Prinzip», sagt der Rentneram Mittwoch zum Prozessauftakt am Landgericht Hildesheim.

Mit dem Beharren auf seinen Prinzipien geriet er jedoch schnellmit den anderen Nachbarn der Kleingartenkolonie in Gifhorn inKonflikt. Sie teilten seine eng gesteckten Vorstellungen von denRechten und Pflichten eines Kleingärtners nicht. So stellte erbeispielsweise einen Gartennachbarn zur Rede, weil dessen Frau voneinem überhängenden Strauch Brombeeren genascht hatte. Einen anderenkritisierte er, weil dieser ein Stück des begrünten Zufahrtswegesgemäht hatte, das eigentlich dem Rentner gehörte.

Auch mit der getöten Familie, die er seit 30 Jahren kannte, hatteer jahrelang wegen Nichtigkeiten im Streit gelegen. An einem Abend imvergangenen September bewaffnete der Rentner sich nach denErmittlungen der Staatsanwaltschaft mit einem fünf Zentimeter dickenEichenknüppel und legte sich in einem Gebüsch auf die Lauer, um dieGartennachbarn auf frischer Tat dabei zu ertappen, wie sieunrechtmäßig Abfälle entsorgten. Nach einem kurzen Wortgefecht mitdem 33-Jährigen Sohn der Familie zog der Rentner den Knüppel aus demHosenbund und prügelte auf den Mann ein. Dessen Eltern, von denSchreien aufgeschreckt, eilten ihrem Sohn zu Hilfe. Auch die 59 Jahrealte Mutter und der 64 Jahre alte Vater wurden erschlagen.

Vor Gericht behauptet der angeklagte Rentner, in Notwehr gehandeltzu haben. Er sei von der Familie angegriffen und geschlagen worden.Den Stock habe er dann zur Verteidigung eingesetzt. «Mit welcherGelassenheit er die Tat schildert, ist erschreckend», sagenAngehörige der Opfer danach.

Der Rentner ging in den Kleingärten jahrelang regelrecht aufPatrouille, kontrollierte alles und jeden in der kleinen Kolonie. Ihmgehörten schließlich die insgesamt neun Parzellen, die er von seinemVater geerbt hat. «Mehr als 51 Jahre habe ich in den Gärtengearbeitet, als Jugendlicher noch mit wenig Lust», erinnert er sich.Zwar vermachte er die Parzellen bereits Anfang der 90er Jahre seinenKindern, doch von seinen Prinzipien konnte er nicht lassen undmischte sich immer wieder ein. «Ich wollte mich nicht mehr mit demGelände rumärgern», erzählt der zweifache Familienvater, der von derStaatsanwaltschaft als hitzköpfig und cholerisch bezeichnet wird.

Auch seine Kinder konnten den Rentner nicht bremsen. Schließlicheskalierte die jahrelange Dauerfehde in der Kleingartenkolonie amRande von Gifhorn: Es wurden Reifen zerstochen, heftige Drohungenausgesprochen, Lauben gingen in Flammen auf, in einer Holzhütteverbrannten mehrere Dutzend Kaninchen der später getöteten Familie.Mehrfach zeigten Nachbarn den Mann an, die Polizei ermittelte,stellte die Verfahren zumeist aber wieder ein. Auch der Angeklagteerstattete zahlreiche Anzeigen. Sie verliefen im Sande.

Nach der Tat lebten die Opfer laut Obduktionsbericht nochmindestens 20 Minuten. Der Rentner fuhr nach Hause, warf seineKleidung in den Müll und setzte sich vor den Fernseher. Als ihn amnächsten Tag seine Tochter anrief und vom Polizeieinsatz in derKleingartenkolonie berichtete, flüchtete er zu Fuß und irrte ziellosumher. Die folgende Nacht verbrachte er in einem Gebüsch, tagsüberversteckte er sich auf einem vier Kilometer entfernten Feld unterStrohballen, wo ihn die Polizei schließlich festnahm.