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Niedersachsen Niedersachsen: Hilfe für Flipper

Von Manuela Ellmers 24.11.2010, 15:15
«Flipperkönig» Hartmut Litfin repariert in seiner Werkstatt in Valde eine Platine eines Flipperautomaten. Der 56-Jährige betreibt einen bundesweitenmobilen Reparaturservice für Flipperautomaten. (FOTO: DAPD)
«Flipperkönig» Hartmut Litfin repariert in seiner Werkstatt in Valde eine Platine eines Flipperautomaten. Der 56-Jährige betreibt einen bundesweitenmobilen Reparaturservice für Flipperautomaten. (FOTO: DAPD) dapd

Vahlde/dapd. - In der Werkstatt von Hartmut Litfin in Vahlde imniedersächsischen Landkreis Rotenburg/Wümme herrschtSpielhallenatmosphäre. Mehrere bunt blinkende Flipper stehen hieraufgereiht nebeneinander. Doch sie dienen nicht dem Zeitvertreib. ImGegenteil. Litfin kümmert sich von Berufs wegen um die bedrohteSpezies. Der 56-Jährige betreibt einen bundesweiten mobilenReparaturservice für Flipperautomaten. «Soweit ich weiß, bin ich derEinzige», sagt Liftin. Die ausgemusterten sperrigen Geräte, diefrüher in fast jeder Kneipe standen, sind das Lieblingsspielzeugvieler Fans und Sammler.

Prüfend betrachtet Litfin durch seine Arbeitslupe die Platine,die er einem Flipper Baujahr 1978 entnommen hat. «Die Batteriesäureist ausgelaufen, das ist ein häufiges Problem», erklärt er und zeigtauf die verätzte Oberfläche. «Wenn man Glück hat, kriegt man siewieder hin», sagt der 56-Jährige. Entweder ist Litfin also einGlückspilz oder er versteht schlicht sein Handwerk, denn er fügthinzu: «99 Prozent der Geräte bringe ich zum Laufen, ein Prozent istwirtschaftlicher Totalschaden.»

Eine reife Leistung für jemanden, der von sich selbst sagt, ersei wie ein Schlachter, der Vegetarier ist. «Ich sammle keineFlipper und ich spiele nicht an Flippern», erläutert der gebürtigeHamburger. Dennoch hänge sein Herz an den Spielautomaten, in denenblitzende Metallkugeln durch einen Hindernisparcours geschossenwerden. «Mich fasziniert, wie mechanische und elektrische Baugruppenzusammengreifen», sagt Litfin. Zwei Drittel der rund 2.500Einzelteile eines Flippers befänden sich unter der Spielfläche.

Seit Anfang des neuen Jahrtausends ist der gelernte Fernmelde-und Notruftechniker ausschließlich auf Flipper spezialisiert. DieMarktlücke entdeckte er eigentlich eher zufällig. «Ich war damalsschon mit einem Automatenaufstellservice und -vertrieb selbstständigund suchte nach einer Internetadresse», erinnert sich der56-Jährige. «Die Adresse flipperservice.de war frei, also habe ichgedacht, mache ich eben das.» Schon von der ersten Woche anflatterten die Aufträge ins Haus. «Das war wie beimSchneeballsystem, es wurden immer mehr», erzählt Litfin.

Inzwischen repariert er rund 300 Flipper im Jahr. Auf seinenTouren durch Deutschland ist fast immer sein bester Freund TorstenKrögler dabei. «Torsten ist ein Flippermessi», sagt Litfin undgrinst. Tatsächlich besitzt Krögler um die 45 Flipper. Wie viele esgenau sind, kann der ausgebildete Seegüterkontrolleur trotzangestrengten Nachdenkens nicht sagen. Der Reiz liege sowohl in denLicht- und Soundeffekten als auch darin, «dass man das Spiel selbstin der Hand hat, weil man Einfluss auf die Kugel nimmt. Denn es istkein Glücks-, sondern ein Geschicklichkeitsspiel», betont der45-Jährige.

Aus Platzgründen und weil Krögler noch andere Automaten sammelt,ist ein Großteil der Flipper in einem Lager untergebracht. Drei derrund 150 Kilogramm schweren Geräte stehen jedoch spielbereit inseiner 66-Quadratmeter-Wohnung in Bremen - unter anderem zusammenmit zwei Musikboxen, neun Geldspiel- und Unterhaltungsautomatensowie einem Zigaretten- und einem Kondomautomaten.

Bei der Arbeit sind die beiden Flipperkönige, wie sie sich selbstnennen, ein eingespieltes Team. «Ich bin für die Reinigung und dasMechanische zuständig, Hartmut kümmert sich um die filigraneElektronik», berichtet Krögler. Auftraggeber sind überwiegendPrivatkunden quer durch alle Bevölkerungsschichten undAltersklassen. Litfin schätzt, dass es bundesweit mindestens 10.000Menschen gibt, die einen oder mehrere Flipper besitzen. «Für vielesind das Jugenderinnerungen», weiß der 56-Jährige. Eine Kundin habeihm auch mal gesagt, der Flipper sei ein «kommodes Möbelstück».

Seine Hochzeit hatte der Flipperautomat nach Angaben von Litfinetwa von Mitte der 1980er bis Mitte der 1990er Jahre des vergangenenJahrhunderts. Heute sei er «vom Aussterben bedroht», weil Kneipenund Spielhallen mit anderen Geräten mehr Geld verdienen könnten.Seit Ende der 1990er Jahre gebe es weltweit nur noch einen einzigenFlipper-Hersteller. Gebrauchte Geräte kosten nach Litfins Angabenzwischen 500 und 5.000 Euro.

«Was Litfin macht, ist ganz wichtig, um die Flipper am Leben zuerhalten», sagt Arne Hennes vom Flippermuseum Schwerin. Aufgrund vonVerschleiß seien vor allem die alten Geräte sehr anfällig. FürLitfins siebenjährigen Sohn Lennart ist Papas Job ein großer Spaß.Er flippert schon jetzt mit einer solchen Begeisterung, dass der56-Jährige ihm ein ausrangiertes Spielgerät geschenkt hat, daseigentlich als Ersatzteilespender dienen sollte. «Ich habe ihmgesagt, wenn er es säubert, repariere ich die Elektronik», erzähltder Flipperkönig und nimmt noch einmal die kaputte Platine des1978er Flippers unter die Lupe.

«Flipperkönig» Torsten Krögler spielt in der Werkstatt von Hartmut Litfin in Valde an einem Flipperautomaten. (FOTO: DAPD)
«Flipperkönig» Torsten Krögler spielt in der Werkstatt von Hartmut Litfin in Valde an einem Flipperautomaten. (FOTO: DAPD)
dapd