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Nationale Katastrophe Nationale Katastrophe: Paprika-Panik in Ungarn

Von Kathrin Lauer 28.10.2004, 14:55
Analyse von Gewürz-Paprika (Foto: dpa)
Analyse von Gewürz-Paprika (Foto: dpa) MTI

Budapest/dpa. - Beim Budapester notärztlichen Rettungsdienstliefen am Donnerstag die Telefone heiß, denn eine nationaleKatastrophe zeichnete sich ab: Das Paprikapulver soll vergiftet sein.Tausende Menschen wollten von den Rettern wissen, was es nun damitauf sich habe. Was der Mensch in Ungarn überhaupt noch essen darf,blieb zunächst ein Rätsel, denn die offiziellen Auskünfte warenwidersprüchlich.

Es herrschte Panik, nachdem die Regierung am Vorabend den Verkaufdes roten Pulvers verboten hat. Der Grund: In den Produkten von dreiungarischen Paprika-Herstellern wurden unzulässig hoheKonzentrationen des Pilzgiftes Aflatoxin B1 gefunden. In hohen Mengengenossen, kann es zu schweren Leberschäden bis hin zu Krebs führen.Am Donnerstagabend wurde zumindest teilweise Entwarnung gegeben unddie Freigabe einzelner Sorten in Aussicht gestellt. Zudem stamme dasbelastete Pulver vermutlich aus spanischen oder südamerikanischenImporten.

Tatsache bleibt: Paprika ist ein «Hungaricum», das heißt: einMarkenzeichen des Donaulandes. Kaum ein ungarisches Gericht ist ohnedieses Gewürz vorstellbar, von Gulasch, Fischsuppe, Braten bis hinzur leckeren, scharfen, geräucherten Paprika-Wurst. Das rote Pulverist auch ein Export-Schlager. 5300 Tonnen im Wert von 12,7 MillionenEuro führte Ungarn 2003 aus, Deutschland liegt mit einem Anteil von30 Prozent bei den Auslands-Absatzmärkten an erster Stelle. DieRegierung befürchtet jetzt einen Rückgang der Exporte allein nachEuropa um 15 Prozent.

Das Gesundheitsministerium meint, das vergiftete Pulver sei nurdann schädlich, wenn man wöchentlich ein halbes Kilo davon isst.Zudem soll das Paprikapulver in Packungen, die ein späteresVerfallsdatum als den 15. April 2005 haben, ungefährlich sein. BisDonnerstagabend sollte eine Liste mit Lebensmitteln erstellt werden,die das gefährliche Pulver enthalten. Nach offiziellen Angaben wardie ermittelte Aflatoxin-Konzentration im überprüften Paprika um 10bis 15 Prozent höher als erlaubt. Medien berichteten aber auch von20fach höheren Konzentrationen.

Auch woher das Gift kommt, ist unklar. Das Gesundheitsamterstattete jetzt bei der Polizei Anzeige gegen unbekannt. Seit Jahrenführt Ungarn große Mengen dieses Gewürzes aus Spanien und ausSüdamerika ein, weil die einheimische Produktion nicht ausreicht.Keiner weiß mit Bestimmtheit, ob diese qualitativ schlechtere Waredem einheimischen Pulver beigemengt wird oder nur in Lebensmittel-Konserven auftaucht. Andras Bartos, Generaldirektor der Paprika-Aktiengesellschaft im südostungarischen Szeged, dem berühmtestenHerkunftsort des Gewürzes, versicherte, sein Paprikapulver sei reinungarisch.

Im kleinen Restaurant «Adam» im 13. Budapester Gemeinde-Bezirkwill der Chef Janos Adam seinen Gästen den Paprika-Geschmack nichtvorenthalten, obwohl auch bei ihm das rote Pulver in den Mülleimergewandert ist. Das «Adam» ist eines jener typischen BudapesterLokale, die nur mittags geöffnet haben, weil Stammkunden allersozialen Schichten dort ihre Essenspause verbringen. Die weißeKüchenschürze des Chefs hat am Vormittag schon viele rote Flecken,weil er seit dem frühen Morgen frische rote Paprika durch denFleischwolf dreht. Die Paste mischt er mit Salz und füllt sie inEinmachgläser ab. «Das bleibt jetzt ein Jahr lang genießbar», sagter. «Soweit ist es also gekommen, dass ich es genauso mache wie meineGroßmutter vor 100 Jahren.»