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Nadja Benaissa Nadja Benaissa: Das Risiko ignoriert

Von THOMAS WOLFF 16.08.2010, 08:38
Nadja Benaissa, Sängerin der Band «No Angels», sitzt auf der Anklagebank in einem Verhandlungssaal des Landgerichts in Darmstadt. (FOTO: DPA)
Nadja Benaissa, Sängerin der Band «No Angels», sitzt auf der Anklagebank in einem Verhandlungssaal des Landgerichts in Darmstadt. (FOTO: DPA) dpa-Pool

DARMSTADT/MZ. - Sie spricht von falschenFreunden, "schlechtem Umgang", den sie gehabthabe, schon zu Schulzeiten, später auch alsStar der "No Angels". Nadja Benaissa (28)schildert an diesem ersten Prozesstag vordem Jugendschöffengericht im Darmstädter Amtsgerichtdie Umstände, die zu ihrem "großen Fehler"führten: Mit mehreren Männern hatte sie ungeschütztenSex, ohne den Männern gesagt zu haben, dasssie HIV-positiv ist. Auch mit dem Nebenklägersei es so gewesen. Sie habe das Risiko "fahrlässigverdrängt", lässt sie durch ihren Anwalt OliverWallasch verlesen.

Nein, ein Geständnis im Sinne der Anklagewar das nicht, wird Benaissas Anwalt Wallaschspäter in einer Prozesspause sagen. Die ihrvorgeworfene Tat "kann sie ja nicht gestehen"- dass nämlich genau sie diejenige war, beider sich der Frankfurter KünstlerbetreuerS. angesteckt hat. Dass sich das überhauptbeweisen lassen wird, scheint fraglich. FünfVerhandlungstage sind anberaumt, das Urteilwird für Ende August erwartet. Die Anklagelautet auf "vollendete gefährliche Körperverletzung",in vier weiteren Fällen "versuchte gefährlicherKörperverletzung". Weil ein Fall aus dem Jahr2000 datiert, als Benaissa 17 war, wird vordem Jugendschöffengericht verhandelt.

Sie habe das Risiko ignoriert, sagt Benaissa,die vor elf Jahren bei einer Routineuntersuchungvon ihrer Infektion erfahren hat. "Absolutsorglos" seien aber auch die Männer in ihremLeben mit Verhütung und Ansteckungsgefahrumgegangen. So gab es auch mit dem Nebenkläger"Intimkontakte ohne Kondom", 2004 war das."Es war niemals meine Absicht, dass meineIntimpartner mit HIV infiziert würden", erklärtesie, und: "Es tut mir von Herzen leid."

Ein halbes Jahr dauerte ihre Affäre mit demNebenkläger. Die "No Angels" hatten sich kurzzuvor aufgelöst. Benaissa wollte eine Solokarrierestarten. Einmal unternahmen sie und S. einenZug durch die Frankfurter Discoszene, dannlandete das Paar im Haus von Benaissas Tanteim Bett. Und dann? Machte sich einer der beidenklar, was ungeschützter Verkehr bedeuten kann?Richter Dennis Wacker fragt dies NebenklägerS. und erfährt, man habe "teils, teils" Kondomebenutzt. Und die Sängerin: Habe sie nichtspätestens seit ihrer eigenen Infektion imAlter von 17 Jahren "gewusst, dass ein, zweiKontakte ausreichen, um jemanden anzustecken?"Antwort: "Das meiste aus dieser Zeit ist eigentlichschwarz."

So reumütig sich die Angeklagte nun gibt,so unversöhnlich erscheint der Nebenkläger.Mehrfach wendet er sich an Benaissa, bevorer vom Richter zur Ordnung gerufen wird: "Duhast so viel Leid in die Welt getragen!" BenaissasTante - sie sagte am Montag unter Ausschlussder Öffentlichkeit aus - soll es nach seinerSchilderung gewesen sein, die ihn 2007 überdie Infizierung der Sängerin unterrichtete.Sofort habe er sich testen lassen. Das Ergebnis:HIV-positiv. Er sei so weit gesund. Doch dasWissen darum, die Krankheit könne jeden Tagausbrechen, beeinträchtige seine gesamte Lebensführung.

Von Benaissa hörte er seit 2007 kein erklärendesWort. Er habe ihr den Vorschlag gemacht, sichöffentlich als Infizierte zu outen "und wasan die Aids-Stiftung geben" - auch das seiohne Antwort geblieben. Von diesen Versuchen,Kontakt mit ihr aufzunehmen, will Benaissanur mal von ihrem Management erfahren haben.Das war 2007, die "No Angels"-Maschinerielief nach der Wiedervereinigung auf Hochtouren.Eine HIV-positive Popsängerin? Das hätte dochdas "Karriereende" bedeutet, glaubt Benaissa:"Ich musste diese Rolle weiterspielen".