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Nach dem Tankerunglück Nach dem Tankerunglück: Lage vor Nordspanien gefährlich zugespitzt

15.11.2002, 15:38
Der havarierte Tanker (Foto: dpa)
Der havarierte Tanker (Foto: dpa) EFE

La Coruña/dpa. - Nach dem Tankerunglück vor der Nordwestküste Spaniens hat sich die Gefahr einer Ölpest am Freitag dramatisch zugespitzt. Die 243 Meter lange «Prestige» drohe auseinander zu brechen, teilten die Behörden in La Coruña mit. Im Rumpf des mit 77 000 Tonnen Öl beladenen Schiffes klaffe ein 35 Meter großer Riss. Der bislang entstandene Öl-Teppich entfernte sich zwar weiter von der Küste. Umweltschützer schlossen aber nicht aus, dass die rund 3000 Tonnen ausgetretenes Schweröl doch noch ans Ufer gespült werden könnten, sollte sich der Wind drehen. In diesem Fall drohe ein Massensterben von Seevögeln, hieß es.

Um weitere Schäden am Rumpf durch Vibrationen zu verhindern, seien die Maschinen gestoppt worden. Falls der altersschwache Tanker auseinander bricht, sollen Schlepper Bug und Heck so weit wie möglich aufs offene Meer bringen, erklärte der Regierungsdelegierte Arsenio Fernández. Es sei auch nicht sicher, dass dann das gesamte Öl auslaufen würde. Die 26 Jahre alte «Prestige» war am Nachmittag bereits rund 120 Kilometer (65 Seemeilen) von der galicischen «Todesküste» entfernt, nachdem es am Vorabend gelungen war, die Maschinen erneut zu starten. Dort soll ein niederländisches Bergungsteam das restliche Öl auf andere Schiffe umpumpen.

Der Öl-Teppich erreichte unterdessen eine Größe von 14 mal 9 Kilometern, wurde vom Wind und der Strömung aber auf eine Entfernung von rund 20 Kilometern vom Ufer weg getrieben. «Möglicherweise wird er die Küste nicht erreichen», meinte Fernández. Umweltschützer äußerten dagegen die Befürchtung, ein Auseinanderbrechen oder Sinken des Tankers werde eine der artenreichsten Meeresgebiete des Atlantiks verseuchen. Dort leben auch viele Schweinswale. Zudem drohe der Tod Tausender Papagaientaucher, Möwen oder Kormorane, teilte die Umweltschutzorganisation WWF (World WildLife Fund) mit. Sie forderte schärfere Gesetze.

Auf einer Länge von mehreren Kilometern entlang der Küste wurden Öl-Barrieren und Spezialpumpen aufgebaut, um den ausgetretenen Brennstoff notfalls abzufangen. Eine Ölpest wäre für Galicien eine Katastrophe: Die Region lebt vor allem vom Fischfang, zu dieser Jahreszeit werden die berühmten Jakobs-Muscheln gesammelt, die zu Weihnachten bei keinem Fest in Spanien fehlen dürfen. «Wenn es eine Ölpest gibt, können wir nur noch auswandern», sagte ein Fischer. Das als Schiffsbrennstoff genutzte Schweröl ist giftig und sehr zähflüssig. Es zu entfernen, ist besonders kompliziert.

Der unter der Flagge der Bahamas fahrende Tanker einer griechischen Reederei war am Mittwoch während eines Sturms im Atlantik in Seenot geraten und mit schwerer Schlagseite auf die Küste zugetrieben. Durch ein Leck, das später abgedichtet werden konnte, floss das Öl ins Meer. Ursache war Materialermüdung. Im Gegensatz zu moderneren Tankern hat die «Prestige» keine doppelten Außenwände. Das Schiff hatte die Route von Riga (Lettland) zur britischen Kolonie Gibraltar befahren. Bis auf den griechischen Kapitän, den ersten Offizier und den Maschinisten war die 27-köpfige Besatzung am Mittwoch geborgen worden.

Die spanische Regierung kündigte inzwischen rechtliche Schritte gegen die griechische Reederei und die Behörden Lettlands an. Dort war der Tanker beladen worden. «Das Schiff erfüllt keine einzige der in Europa gültigen Sicherheitsvorschriften», kritisierte das Außenministerium. Zudem habe der Kapitän sich zunächst geweigert, die Maschinen wieder in Gang zu setzen. Als Grund habe er ein nicht existierendes Feuer im Maschinenraum vorgetäuscht.

Mit einer diplomatischen Protestnote beschwerte sich Madrid auch bei der britischen Regierung. Der Tanker habe zuletzt im Juni Gibraltar angelaufen und sei dort entgegen der in Europa geltenden Vorschriften nicht auf seine Sicherheit überprüft worden, sagte der stellvertretende Ministerpräsident Mariano Rajoy. Nach spanischen Angaben war die «Prestige» bereits 1999 in New York und Rotterdam wegen Sicherheitsmängeln mit Sanktionen belegt worden.

An der Küste Nordwestspaniens hatte schon vor zehn Jahren der Untergang des Tankers «Aegean Sea» eine der weltweit schwersten Umweltkatastrophen ausgelöst.

Tankerunglück
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dpa