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Nach dem ICE-Unfall in Baden Nach dem ICE-Unfall in Baden: Anwohner der Bahnstrecke fürchten um ihre Sicherheit

Von Jürgen Ruf 02.04.2004, 12:21
ICE-Unfall (Foto: dpa)
ICE-Unfall (Foto: dpa) dpa

Efringen-Kirchen/dpa. - Der Schrecken sitzt noch tief: Nach dem ICE-Unglück in Südbaden fordern Politiker der Region und Anwohner von der Bahn eine bessere Absicherung der stark befahrenen ICE-Strecke Freiburg-Basel. «Die Leute hier leben in ständiger Angst», sagt der Bürgermeister der Gemeinde Efringen-Kirchen im Kreis Lörrach, Wolfgang Fürstenberger. Die Hochgeschwindigkeitszüge rasen mitten durch den 8500 Einwohner zählenden Ort, manche Wohnhäuser stehen direkt an den Gleisen. «Es ist ein Wunder, dass nicht mehr passiert», sagt der Bürgermeister.

   Am Donnerstag war der beschauliche Winzerort nahe der deutsch-schweizerischen Grenze nur knapp einer Katastrophe entgangen. Der Traktor eines 40 Jahre alten Winzers war beim Pflügen in einem steilen Weinberg ins Rutschen geraten. Das Gefährt stürzte 15 Meter einen ungesicherten Abhang hinunter auf die Gleise. Der ICE 600 (Basel-Dortmund) mit mehr als 100 Passagieren an Bord erfasste das Fahrzeug und sprang aus den Schienen. Ein entgegenkommender ICE streifte den entgleisten Zug.

   «Man darf sich gar nicht ausdenken, was hätte passieren können», sagt der Kommandant der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr, Werner Schmid. Er koordinierte die Arbeit der Retter vor Ort. Wäre der ICE stärker oder nur Sekunden früher entgleist, wäre er mit dem anderen Zug frontal zusammengestoßen. Zumindest einer der beiden Züge wäre dann den Steilhang in den Ort hinunter gestürzt, sagt Schmid, der selbst an der Bahntrasse wohnt.

Die Strecke gilt als Hauptverkehrsachse in die Schweiz und nach Italien. In Südbaden schlängeln sich die Züge auf der kurvenreichen Strecke durch die Weinberge und die Dörfer.

   «Dieser Unfall wirft erhebliche Sicherheitsfragen auf», sagt der Lörracher Landrat Walter Schneider (CDU). An zahlreichen Stellen, unter anderem am Unglücksort, sei die Strecke nur unzureichend gesichert. Im Interesse der Sicherheit der Anwohner und der Reisenden müsse die Bahn reagieren. Beim geplanten Ausbau der Strecke von derzeit zwei auf zukünftig vier Gleise müssten Sicherheitsfragen stärker als bisher berücksichtigt werden. «Diese Strecke aus dem 19. Jahrhundert ist den gewachsenen Anforderungen und dem stark angestiegenen Verkehrsaufkommen einfach nicht mehr gewachsen.»

   Die Bahn AG sieht das anders. Das ganze 36 000 Kilometer lange deutsche Gleisnetz mit Schutzvorrichtungen zu sichern, sei nicht möglich, sagte ein Sprecher in Berlin. Es sei auch die Verantwortung anderer vonnöten, damit nicht Fahrzeuge oder Gegenstände auf die Gleise gerieten. Im konkreten Fall müssten erst die Ergebnisse der Ermittlungen abgewartet werden.

1998 hatte es auf der Strecke nur wenige Kilometer entfernt einen ähnlichen Unfall gegeben. Damals war ein landwirtschaftliches Raupenfahrzeug von einem Weinberg auf die Gleise gestürzt. Die Züge auf der Bahnstrecke konnten jedoch rechtzeitig gestoppt werden, verletzt wurde damals niemand.

   Im Juli 1971 war ebenfalls in der Nähe ein Schweizer Schnellzug wegen überhöhter Geschwindigkeit entgleist und einen Abhang hinunter auf ein Wohnhaus gestürzt. Damals waren 25 Menschen ums Leben gekommen, mehr als 100 waren verletzt worden.