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Mordprozess Jessica Mordprozess Jessica: Vater des verhungerten Mädchen räumte Mitschuld ein

12.09.2005, 11:01

Hamburg/dpa. - Im Hamburger Mordprozess gegen die Eltern der verhungerten Jessica hat nach einer Zeugenaussage auch der angeklagteVater Mitschuld am Tod des Kindes eingeräumt. Vor dem Landgericht sagte am Montag eine Kripo-Beamtin, in seiner Vernehmung bei der Polizei habe der 49-Jährige erklärt: «Wir haben beide gleich Schuld». «Ich hätte mich mehr um das Kind kümmern müssen», zitierte die 30- jährige Polizistin den Angeklagten.

Der 49-Jährige hatte über seine Anwältin zu Prozessbeginn erklären lassen, er wollte in der Verhandlung nicht aussagen. Die Mutter hatte dagegen vor Gericht bereits ihre Schuld an Jessicas Tod zugegeben. Sie habe «alles falsch gemacht», sagte die Frau. Die Staatsanwaltschaft wirft beiden Angeklagten vor, die Tochter durch böswillige Verletzung der Fürsorgepflicht gemeinsam umgebracht zu haben. Zuletzt wurde das Mädchen ohne ausreichend Nahrung und Wasser in einem verdunkelten Zimmer wie in einem Gefängnis gehalten. Vor einem halben Jahr verhungerte Jessica.

Der angeklagte Vater hatte nach Angaben der Zeugin bei der Polizei ausgesagt, Jessica habe immer weniger gesprochen. In den Tagen vor ihrem Tod habe sie nicht mehr sagen können, dass sie Durst hat. Ihm sei aufgefallen, dass das Kind immer dünner geworden sei.

Jessicas Mutter sagte am Montag, sie habe das Kind bis zu dessenTod regelmäßig gefüttert. Drei Mal am Tag habe sie der Siebenjährigenmit einer Babyflasche zu trinken gegeben. Das Kind wurde zudem mitGrießbrei und Banane gefüttert «bis es passiert ist». Der VorsitzendeRichter Gerhard Schaberg sagte, diese neue Aussage stehe auch imWiderspruch zum Gutachten eines Rechtsmediziners.

Demnach habe das Kind lange Zeit nicht genug zu essen bekommen undsei lange nicht aus der Wohnung gekommen. Bei seinem Tod sei dassiebenjährige Mädchen auf dem Stand einer Dreijährigen gewesen. DerRichter erinnerte die Angeklagte an deren Aussagage bei der Polizei,wonach Jessica bereits «drei Monate vor ihrem Tod nicht mehrvorzeigbar» gewesen sei. Das Kind sei «ziemlich dünn» gewesen, meintedie Mutter. «Sie wollen sie bis zum Schluss drei Mal gefüttert haben?Dabei wollen sie auch bleiben?», fragte Schaberg. Die Angeklagteantwortete mit «Ja».

Ihr Verteidiger entgegnete der 36-Jährigen, es sei jedem imGerichtssaal klar, dass Jessica verhungert sein muss. Es kann nichtsein, dass die Mutter das Kind gefüttert hat. «Warum lassen sie dassnicht an sich ran, dass es so nicht gewesen sein kann», betonte derAnwalt. «Doch, ich bleibe dabei», sagte seine Mandantin.

An einem späteren Verhandlungstag soll laut Verteidigung eineZeugin verdeutlichen, dass es sich bei der Angeklagten um eine«schwer traumatisierte Persönlichkeit» handelt. Die Frau habe sich am31. August bei der Polizei gemeldet und ausgesagt, Jessicas Muttersei als Kind das Opfer von Missbrauch und Misshandlungen geworden.Der Onkel der Angeklagten und Lebensgefährte der Mutter habe diedamals Sechsjährige dazu gezwungen, ständig unter der Bettdecke zuliegen. Habe das Kind nur den Kopf hervorgesteckt, «dann wurde sievom Onkel an den Beinen hervorgezogen und mit dem Kopf auf den Bodengeschlagen». Der Onkel wird zudem mit dem Satz zitiert: «Kinder sindwie Unkraut, die finden selbst was zu essen.» Die Angeklagteberichtete, vom Onkel «betatscht» worden zu sein, könne sich an diegeschilderten Misshandlungen aber nicht erinnern.

Der Prozess wird an diesem Dienstag mit der Aussage einesRechtsmediziners fortgesetzt.