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Gerichtsurteil Millionen-Schwindel bei Corona-Tests: Fast neun Jahre Haft

Schnell und unbürokratisch sollte getestet werden. Doch bald zeigte sich: Das Modell war betrugsanfällig. In Berlin fiel nun in dem für die Hauptstadt bislang größten Strafverfahren wegen Corona-Betrugs das Urteil.

Von dpa 26.03.2023, 18:43
Einem Jugendlichen wird ein Nasenabstrich für einen Corona-Test entnommen.
Einem Jugendlichen wird ein Nasenabstrich für einen Corona-Test entnommen. Philipp von Ditfurth/dpa/Symbolbild

Berlin - Er rechnete illegal ab und kassierte in der Pandemie Millionen Euro: Ein ehemaliger Betreiber von Corona-Testzentren ist zu acht Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Der Mann habe rund 9,7 Millionen Euro zu Unrecht gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin abgerechnet und erhalten, stand am Montag für das Landgericht der Hauptstadt fest. Dem Angeklagten sei es darum gegangen, „so viel Geld wie möglich zu kassieren“, sagte der Vorsitzende Richter Carsten Schwanitz. Der Mann habe sich „besonders verwerflich“ verhalten.

Der damalige Spätkauf-Betreiber wurde des besonders schweren Betrugs in 67 Fällen schuldig gesprochen. Gegen seine mitangeklagte Schwester im Alter von 45 Jahren erging wegen Beihilfe in 17 Fällen eine Strafe von einem Jahr und neun Monaten Haft auf Bewährung. Das Gericht ordnete zudem die Einziehung des erlangten Geldes an. In die gegen den 47-Jährigen verhängten Strafe wurde eine frühere Verurteilung zu drei Jahren und acht Monaten wegen Vergewaltigung und Körperverletzung einbezogen.

In dem für die Hauptstadt bisher größten Strafverfahren wegen Verdachts auf Betrug bei der Abrechnung von Corona-Bürgertests geht es um Taten zwischen Mai und Oktober 2021. Der Schwindel sei über 18 Testzentren gelaufen, so Richter Schwanitz nach siebenmonatigem Prozess. Der 47-Jährige habe Tests abgerechnet, die gar nicht oder nicht in dem Umfang durchgeführt worden seien. Mehr als sechs Millionen Euro habe der Mann in die Türkei weitergeleitet - auf Konten seines Vaters, so der Richter.

Wegen der pandemischen Notlage habe der Staat schnell und unbürokratisch handeln wollen, sagte der Vorsitzende weiter. Der Spätkauf-Betreiber habe wohl mitbekommen, dass es damals „faktisch keine Kontrollen gab“. Das habe er ausgenutzt und in die eigene Tasche gewirtschaftet. Der Angeklagte habe fiktive Personalien und Strohleute eingesetzt sowie Geldflüsse verschleiert. Das Gericht ging von einer „hohen Sozialschädlichkeit“ aus.

In 11 der 18 Testzentren, die der Angeklagte in verschiedenen Stadtteilen angemeldet habe, sei nicht ein einziger Test erfolgt, so das Gericht. Die Tests, die er abrechnete, hätten „grob über jeder Realität“ gelegen. So habe er einmal für eine Teststelle fast 65.000 Abstriche pro Monat geltend gemacht - „das wären knapp zwei Abstriche pro Minute gewesen“. Insgesamt hätten dem Mann nur knapp 64.000 Euro zugestanden.

Immer wieder nutzten Kriminelle die Corona-Pandemie und versuchten mitzuverdienen. In der Hauptstadt sind nach Angaben der Polizei inzwischen rund 13.500 Betrugsverfahren im Zusammenhang mit Testzentren oder Corona-Hilfszahlungen eingeleitet worden. Das Landeskriminalamt (LKA) geht von einem potenziellen Schaden von mindestens 243 Millionen Euro aus.

Der Berliner Staatsanwaltschaft sind bislang nach eigenen Angaben mehr als 880 Verfahren zu Betrügereien mit Hilfszahlungen oder Testzentren auf den Tisch bekommen. In 649 Fällen sei es bislang zu Geldstrafen gekommen, in etwa 30 Fällen seien Haftstrafen verhängt worden, so eine Sprecherin der Behörde.

Die beiden Geschwister waren Ende März 2022 bei Durchsuchungen von Wohnungen und Teststationen in Berlin festgenommen worden. Der Geschäftsmann sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Die Frau, die Konten für den Schwindel zur Verfügung gestellt haben soll, befand sich drei Monate in Haft.

Der Staatsanwalt hatte eine Gesamtstrafe von zehn Jahren und drei Monaten gegen den 47-Jährigen beantragt. Der Verteidiger des Mannes plädierte auf maximal sieben Jahre Haft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.