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Metzler-Prozess Metzler-Prozess: Gutachter: Gäfgen für Tat voll verantwortlich

27.06.2003, 15:00
Das Archivbild vom 11.10.2002 zeigt eine Karte und Blumen am Grab des ermordeten Bankierssohn Jakob von Metzler. (Foto: dpa)
Das Archivbild vom 11.10.2002 zeigt eine Karte und Blumen am Grab des ermordeten Bankierssohn Jakob von Metzler. (Foto: dpa) dpa

Frankfurt/Main/dpa. - Der Entführer des Frankfurter Bankierssohns Jakob von Metzler ist nach Ansicht von zwei Sachverständigen für seine Tat voll verantwortlich. Bei dem Angeklagten Magnus Gäfgen liege keine schwere Persönlichkeitsstörung vor, sagten die beiden Gutachter am Freitag vor dem Frankfurter Landgericht. Gäfgen hatte gestanden, den Bankierssohn im September 2002 entführt und getötet zu haben. Von den Eltern hatte er eine Million Euro erpresst.

Der hoch intelligente 28-Jährige habe nach dem Prinzip «mehr Schein als Sein» gelebt, um sein schwaches Selbstwertgefühl zu verdecken. Zwar habe sich der Jurist wegen seiner Geldsorgen dank des aufwendigen Lebensstils vor der Tat in eine «subjektiv empfundene Zwangssituation manövriert», stellte der Essener Psychiater Prof. Norbert Leygraf fest. Außer Selbstmordgedanken habe dies jedoch keine Veränderungen seines psychischen Empfindens zur Folge gehabt.

Gäfgen sei deshalb im strafrechtlichen Sinne voll schuldfähig, sagte der renommierte Gutachter, woraufhin es von den Zuschauerbänken Beifall gab. Der Angeklagte hatte vergangene Woche sein Geständnis vom Prozessbeginn erweitert und eingeräumt, dass er bei der Tat im September vergangenen Jahres den Tod des elfjährigen Jungen von Anfang an in Kauf genommen habe. Damit erhofft sich Gäfgen eine mildere Strafe.

Gäfgens äußeres Bild des «freundlichen, etwas gehemmten jungen Mannes» ohne Aggressionen sei nur ein Teil seiner Persönlichkeit, erläuterte Leygraf. Er wies darauf hin, dass Gäfgen einmal einen um viele Jahre jüngeren Freund mit dem Tod bedroht und heimlich seine Freunde bestohlen habe. Im Prozess habe dann Gäfgen das auch von den Medien transportierte Bild, Tat und Täter passten nicht zusammen, für seine Strategie übernommen. Da er stets seinem «Wunschbild» nachgejagt sei, habe er sich schwer getan, sich zur Tat zu bekennen.

Gäfgens Angaben, er habe den Tod Jakobs nicht genau geplant, hielt Leygraf für nachvollziehbar: «Man kann ausgesprochen schlecht planen, wie man ein Kind tötet.» Der 28-Jährige habe jedoch schon vor der Tat ein Versteck für die Leiche ausgekundschaftet. Letztlich war jedoch auch der Sachverständige ratlos, wie der mit Jakobs Geschwistern gut bekannte Gäfgen zu der Tat fähig war. «Das zu erklären, gelingt mir jedenfalls nicht.» Da Gäfgen bisher das Verbrechen nur auf seine rationale Art verarbeite, lägen seine inneren Beweggründe im Dunkeln.

Für die Tat könne auch nicht die Gier von Gäfgens 16-jähriger Freundin verantwortlich gemacht werden, die von dem Angeklagten mit Luxusgeschenken überhäufte worden war. Bereits vor diesen teuren Einkäufen habe Gäfgen die Entführung geplant. Möglicherweise hätten diese Geschenke ihm erst innerlich die Entführung «erlaubt», meinte Leygraf.

Der Psychologe Klaus Elsner - wie Leygraf am Institut für forensische Psychiatrie an der Universität Essen tätig - stimmte mit der Einschätzung seines Kollegen überein. Der 28-Jährige habe sich mit seiner 16-jährigen Freundin eine attraktive junge Frau und einen Kreis mit wohlhabenden jungen Leuten ausgesucht, um seinen Minderwertigkeitskomplex zu verdecken.

Der Prozess wird am 3. Juli fortgesetzt. Dann wird das Plädoyer der Staatsanwaltschaft erwartet.