Magdalenen-Wäschereien Magdalenen-Wäschereien: Die ausgebeuteten Frauen aus Irland

Dublin/DPA. - Mary Merritt war 17, als sie das Kinderheim verlassen musste und in ein Kloster im Norden Dublins geschickt wurde. „Ich hatte Angst um mein Leben. Zwei Wochen lang habe ich keinen Ton gesagt. Sie dachten, ich sei taubstumm“, erzählt die heute 82-Jährige. „Ich wollte nicht dort sein.“ Merritt musste die nächsten 14 Jahre ihres Lebens in der Wäscherei des Klosters schuften. Sie wurde gezwungen zu bleiben - bezahlt wurde sie nie. „Wir sind da drin durch die Hölle gegangen“, berichtet sie.
Dieses Schicksal teilt Merritt mit Tausenden „gefallenen Frauen“ in Irland, die jahrelang in katholischen Arbeitshäusern entrechtet und ausgebeutet wurden. Ein Bericht einer von der Regierung eingesetzten Untersuchungskommission hat dies in dieser Woche offengelegt. Premierminister Enda Kenny sah sich umgehend zu einer Entschuldigung genötigt. Doch die vorsichtige, offenbar auf die Vermeidung von Schadensersatzansprüchen hin formulierte Beteuerung des Politikers ist den Frauen nicht genug.
Oft waren es unehelich geborene Mädchen oder Mütter unehelicher Kinder, die in den Magdalenen-Wäschereien von früh bis spät schwere körperliche Arbeit verrichten mussten. Das Sagen dort hatten Nonnen. Als rau und demütigend wird die Atmosphäre in den Arbeitshäusern beschrieben. Beschimpfungen gehörten zum Alltag, wie Überlebende berichteten. „Sie haben mir sogar den Namen genommen“, sagt Maureen Sullivan, eine der Betroffenen.
„Im Namen all dieser Frauen verlange ich eine Entschädigung, eine Entschuldigung von der Regierung, eine Entschuldigung von der Ordensgemeinschaft und eine Entschuldigung aus Rom“, erklärte Mary Merritt kürzlich im Abendprogramm des Fernsehsenders RTE. Damit nicht genug. „Ich will eine Rente. Ich habe 14 Jahre lang gearbeitet und keinen einzigen Penny dafür bekommen.“ Es gehe darum offenzulegen, „wie furchtbar diese Orte waren, wie grausam sie waren“, sagte Maureen Sullivan.
Premier Kenny sagte, es tue ihm leid, dass Menschen so leben mussten. Er gestand auch ein, dass die Regierung ihre Hände im Spiel hatte. In ihrem Auftrag profitierten die Armee und andere Stellen von der günstigen Arbeit der Frauen im Arbeitsheim, wie aus dem Bericht hervorgeht.
Auch große irische Wirtschaftsunternehmen sollen zu den Nutznießern gehören. „Das hätte nicht passieren dürfen und wir verstehen vollkommen, wie falsch und ernüchternd das gewesen sein muss“, heißt es einem Statement der Sisters of the Good Shepherd, eines der Orden, die in den Skandal verwickelt sind. Häufig sei den Frauen der wahre Grund ihres Aufenthaltes in den Klostereinrichtungen und auch die Dauer vorenthalten worden.
Für Merritt sind bedauernde Worte nicht genug. „Ich glaube nicht, dass wir eine angemessene Entschuldigung von Enda Kenny bekommen haben“, sagte sie. Kenny hat zu einer Debatte im Parlament eingeladen, allerdings erst in zwei Wochen. So sollten die Abgeordneten genug Zeit bekommen, um den 1000 Seiten langen Bericht zu verdauen.
Behandelt werden in dem Bericht einer Regierungskommission die Fälle von mehr als 10 000 Frauen zwischen 1922 und 1996. Deutlich wurde auch, dass ein Teil der Betroffenen von ihren eigenen Familien in die „Wäschereien“ geschickt wurde. Lange Jahre hatte die irische Regierung ihre Verstrickung in das ausbeuterische System geleugnet. Dem Bericht zufolge landete aber rund ein Viertel der Frauen aufgrund staatlicher Einweisungen in den Magdalenen-Heimen.
Gegründet wurde die katholische Einrichtung in den 1780er Jahren. Zunächst galt sie als Zufluchtsort für Prostituierte und Hilfsbedürftige. In den ersten und wohl auch in den letzten Jahren - endgültig schlossen die Arbeitshäuser 1996 ihre Pforten - konnten die Frauen kommen und gehen, wann sie wollten. Die längste Zeit aber wurden die Häuser als geschlossene Einrichtungen betrieben. Viele Ehemalige berichteten, sie seien gegen ihren Willen dort eingesperrt worden.
„Die Regierung muss sich jetzt mit all den Informationen, die nun zugänglich sind, befassen und darüber nachdenken, was getan werden kann, um den Menschen zu helfen, deren Leben durch die vielen Jahre in den Wäschereien zerstört wurden“, fordert Merritt, die nun schon 51 Jahre lang auf Gerechtigkeit wartet. Sie ist enttäuscht von der verhaltenen Reaktion Dublins auf den Bericht.
Die alte Dame erzählt, ihr sei einmal bei der Kartoffelernte die Flucht gelungen. Doch schon kurze Zeit später fing die Polizei sie wieder ein. „Bis heute kann ich nicht schlafen, wenn ich nachts daran denke.“ Sie erinnert sich noch, wie sie die Beamten anflehte: „Ich muss da raus. Ich habe nichts Schlimmes getan. Ich habe niemanden umgebracht.“ Selbst für Mord wäre sie keine 14 Jahre eingesperrt worden, sagt Merritt bitter.