1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Loveparade 2010: Loveparade 2010: Raver lassen sich im Internet zählen

Loveparade 2010 Loveparade 2010: Raver lassen sich im Internet zählen

Von Michael Bosse 30.07.2010, 12:46

Duisburg/Erkrath/ddp. - Mit Techno-Musik und der Loveparade kannSven Jansen eigentlich nicht viel anfangen. Doch als er vor knappeiner Woche nach der Loveparade-Katastrophe in Duisburg live imFernsehen sah, wie auf einer Pressekonferenz führende Vertreter vonStadtverwaltung, Polizei und Veranstalter die zuvor veröffentlichenZahlen von mehr als einer Million Besuchern nach unten korrigiertenund von rund 105 000 Besuchern sprachen, die per Bahn angereistwaren, packte ihn die Wut. «Es ist eine Frechheit, so kleine Zahlenin den Mund zu nehmen», sagt der 38-Jährige. In diesem Verhaltensieht er einen «Abwiegelungsversuch», um das Problem der ankommendenBesuchermasse «runterzuspielen».

Aus Protest setzte sich der Internetexperte aus Erkrath an seinenComputer und baute die Internetseite loveparaderavercount.de, seitSonntagabend ist sie online. Auf dem Online-Portal können sich Ravermelden, die die Loveparade besucht hatten - bis Freitagmittag hattensich mehr 166 600 Besucher gemeldet. «Sicherlich kann ich nicht allemit dem Internet erreichen, aber ich denke schon, dass sich zwischen300 000 und 400 000 Besucher der Loveparade melden werden», sagtJansen.

Bei seiner Aktion geht es dem Gründer einer IT-Firma fürSuchmaschinenoptimierung und Online-Marketing nach eigenen Angabennicht vornehmlich darum, den umstrittenen Oberbürgermeister AdolfSauerland (CDU) zum Rücktritt zu drängen. «Mit geht es darum, Druckzu erzeugen, damit dieses Ereignis nicht vergessen wird», sagt Jansenbei einem Besuch an der Unglücksstelle in Duisburg. Zugleich möchteer zeigen, welchen Druck die Öffentlichkeit durch die neuen Medienauf die Politik erzeugen kann und welche Macht sie haben, politischeDiskussionen voranzutreiben.

Natürlich weiß Jansen, dass er bei seiner Aktion auch auf dieEhrlichkeit der Internetnutzer angewiesen ist. Zwar ist proIP-Adresse eines Computers nur eine Registrierung möglich, aberInternetuser könnten natürlich einfach über einen zweiten Rechnereine weitere Registrierung durchführen. «Auf der anderen Seite habeich aber auch Anfragen von Leuten, die sagen, dass sie zum Beispielin einer Gruppe mit sechs Leuten unterwegs waren. Die konnten dannnatürlich bei einer Registrierung auch nicht alle gezählt werden»,betont Jansen. Insofern hoffe er, dass die ermittelte Zahl in etwadie Zahl der Besucher widerspiegelt.

Jansen selbst war am vergangenen Samstag nicht auf der Loveparade,er war auf der Geburtstagsfeier seiner Schwester. Als er zurück nachErkrath fuhr, sah er dann zahlreiche Krankenwagen und hörte im Radiodie Meldungen über das Unglück, bei dem 21 Menschen starben und mehrals 500 verletzt wurden. Zudem hat er eine persönliche Beziehung zudem Vorfall, weil der Tunnel und das Veranstaltungsgelände nicht weitvom Wohnort seiner Eltern liegen. «Es ist unverantwortlich, dassdieses Gelände hier für die Veranstaltung genehmigt wurde», sagt er.

Neben der Registrierung der Loveparade-Besucher hat Jansen auchein Kondolenzbuch online gestellt, in das die Internetuser ihreGedanken und Kommentare eintragen können. Mehr als 650 Seiten warenbis zum Freitagmittag gefüllt. In den meisten Einträgen sprachen dieUser den Hinterbliebenen und Freunden der Toten ihr Mitgefühl aus.

Doch auch Kritik an der Stadt und den Veranstaltern wird immerwieder laut: So bezeichnet Stephan aus Duisburg die Verantwortlichenals «verlogene Bande». Andere werfen noch einmal einen Blick auf dasEreignis und die persönlichen Erlebnisse. «Das, was passiert ist, isteinfach nur der pure Horror», schreibt Marike aus Datteln. Sieschließt mit den Worten: «Es war der schlimmste Tag meines Lebens.»