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Leonie Müller: Bahncard 100 statt eigener Wohnung Leonie Müller: Bahncard 100 statt eigener Wohnung: Bahn statt Bude - so lebt es sich auf Schienen

Von Jörg Hunke 23.08.2015, 15:29
Leonie Müller sitzt in der Bahn an ihrem Laptop auf der Strecke zwischen Köln und Stuttgart.
Leonie Müller sitzt in der Bahn an ihrem Laptop auf der Strecke zwischen Köln und Stuttgart. dpa Lizenz

So kann der Ärger mit dem Vermieter auch enden. Leonie Müller packte ihre Siebensachen zusammen, verließ die Wohnung in Stuttgart und lebt seit dem in Zügen der Deutschen Bahn. Na ja, sie hat sich zumindest im Mai eine Bahncard 100 gekauft und keinen neuen Mietvertrag unterschrieben. Sie besucht Freunde, übernachtet bei denen oder ihrer Mutter in Berlin oder der Oma in Bielefeld oder ihrem Freund in Köln. An manchen Tagen legt sie Distanzen von rund 800 Kilometern zurück.

Der Ärger mit dem Vermieter war die eine Sache, aber die 23 Jahre alte Studentin fühlte sich nie irgendwo richtig zu Hause, sie mag es, unterwegs zu sein, so wie ihre Mutter früher. Außerdem studiert sie in Tübingen Medienwissenschaften und Soziologie, ihr Freund wohnt in Köln, da lassen sich Reisen nicht vermeiden, wenn man sich wenigstens gelegentlich sehen will.

„Das Unfertige, die Bewegung, das Abenteuer interessieren mich“, sagt Leonie Müller. Sie will mit ihrem Projekt herausfinden, wie das ist, wenn man keinen Rückzugsort mehr hat, die Tür nicht einfach hinter sich zuziehen kann. In ihrem Reise-Blog berichtet sie über ihre Erlebnisse, in ihrer Bachelorarbeit will sie sich mit dem Experiment beschäftigen, nur mit dem Rucksack zu reisen und keinen Mega-Kleiderschrank zu haben. Und was ist Heimat für sie? Auch der Frage will sie nachgehen. Ist es der Ort, an dem sie aufgewachsen ist oder der Ort, an dem sie hört, wo der Zug als nächstes hält?

Generation Unbeschwert

Das Medieninteresse ist jedenfalls groß. Zunächst hat der Südwestfunk über die junge Frau berichtet, sie zu einer Talkshow eingeladen und ein Video mit ihr gedreht, auch Spiegel Online hat sich mit ihr getroffen. Wahrscheinlich vor allem deshalb, weil Leonie Müller zu dieser unbeschwerten Generation gehört, die neue Lebensformen auf ihre Alltagstauglichkeit überprüfen will.

Die 23 Jahre alte Leonie Müller braucht im Alltag vor allem einen bequemen Platz, an dem sie mit ihrem Computer arbeiten kann. Und den bietet die Bahn, sogar mit Stromanschluss. Die Kosten für die Bahncard 100: Rund 4000 Euro pro Jahr. Das ist viel günstiger, als ein Auto zu haben.

„Natürlich ist das kein Lebensstil, den man Jahrzehnte leben kann. Aber auch darum geht es nicht“, sagte sie dem SWR. Worum dann? Spaß am Ausprobieren und Verpflichtungen unter einen Hut zu kriegen. Einmal hat sie sich eine Pizza ans Bahngleis bestellt. Hat auch geklappt, nur war der Bote zu früh da, die Pizza daher „angekaltet“ , wie Leonie Müller erzählte.

Ihr Leben passt zurzeit in einen Rucksack. Dem SWR erzählte sie, was da drin ist: Eine Daunenjacke – die auch als Decke fürs Nickerchen dient – Zahnbürste, Zahnpasta, Buch, Tablet, Handy und ein paar Klamotten. Ihr praktischer Tipp: Alle Klamotten in einer Farbe machen das Kombinieren einfach.