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Soziales Landessozialgericht kassiert Verordnung zur Behindertenhilfe

Sachsen-Anhalt will die Behindertenhilfe umbauen. Verhandlungen mit den Trägern gestalten sich zäh. Ohne Einigung setzte das Land auf eine Übergangsverordnung - und machte dabei offenbar Fehler.

Von dpa Aktualisiert: 07.10.2025, 13:15
Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) hatte erklärt, mit der Verordnung wolle man den Trägern „einen Schubs geben“, sie sollten ihr Beharrungsvermögen aufgeben. (Archivbild)
Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) hatte erklärt, mit der Verordnung wolle man den Trägern „einen Schubs geben“, sie sollten ihr Beharrungsvermögen aufgeben. (Archivbild) Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Halle/Magdeburg - Sachsen-Anhalt versucht derzeit, die Behindertenhilfe neu aufzustellen. Eine Übergangsregelung für die Zeit bis zu einem neuen landesweiten Rahmenvertrag ist nun aber vom Landessozialgericht in Halle kassiert worden. Im Eilverfahren setzte das Gericht in drei Musterverfahren den Vollzug der Regelungen einstweilig aus, wie ein Gerichtssprecher in Halle mitteilte. 

Die formellen Voraussetzungen zum Erlass der Verordnung lagen nach Ansicht des Senats nicht vor. Geklagt hatten Leistungserbringer aus der Behindertenhilfe.

Bis ein neuer Rahmenvertrag verhandelt ist, gelten nun die Regelungen des vom Sozialministerium gekündigten Vertrags aus dem Jahr 2019. Die Eilentscheidungen gelten formal nur zwischen den jeweiligen Verfahrensbeteiligten, so der Gerichtssprecher. Laut Sozialministerium sind diverse weitere Antragsteller vor Verwaltungsgerichten erfolglos geblieben. Das Ziel sei weiterhin, einen neuen Vertrag zu verhandeln.

Lange Verhandlungen ohne Ergebnis 

Schon lange verhandeln die Akteure aus der Behindertenhilfe und das Sozialministerium ohne Ergebnis über einen neuen Vertrag, der Leistungen und Finanzierung regelt.

Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) hatte Ende 2024 erklärt, dass die Behindertenhilfe ohne eine Einigung mit Verbänden und Trägern zunächst mit einer Übergangsverordnung neu ausgerichtet wird. Die Ministerin sagte damals mit Blick auf die Träger, man wolle ihnen damit einfach „einen Schubs geben“, schneller in Umstellung zu gehen und das Beharrungsvermögen aufzugeben. 

Worum geht es dem Land genau?

Im Kern geht es darum, dass das Land Sachsen-Anhalt die bisherige Form der Hilfen für Menschen mit Behinderungen verändern will. Mehr Frauen und Männer sollen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt statt in Behindertenwerkstätten arbeiten. 

Auch beim Wohnen und der sozialen Teilhabe sollen Menschen mit Behinderungen individuell Leistungen auswählen können. Das Sozialministerium führt die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen und das Bundesteilhabegesetz an, deren Umsetzung hierzulande nur bedingt gelungen seien.

Die Ausgaben steigen trotz gleichbleibender Zahl von Betroffenen

Zugleich geht es in der Behindertenhilfe um vergleichsweise viel Geld und das Land will die Kostensteigerungen bremsen. 2023 etwa erhielten 30.820 Personen Eingliederungshilfe. Für dieses Jahr sind laut Ministerium 711 Millionen und für das kommende Jahr weitere 723 Millionen Euro eingeplant. „Wir wollen mit unseren kleinen Stellschrauben, die wir jetzt eingeführt haben in der Rechtsverordnung, diesen Stand halten“, hatte Grimm-Benne erklärt.

In der Übergangsverordnung finden sich unter anderem Regelungen zu Personalrichtwerten und Vergütungsmodellen, die – anders als bei ausgehandelten Rahmenverträgen – nicht einvernehmlich von den Vertragsparteien vereinbart, sondern einseitig von der Landesregierung bestimmt worden sind, so das Landessozialgericht.

Geklagt hatte unter anderem eine Einrichtung unter dem Dach der Diakonie Mitteldeutschland. Sprecher Frieder Weigmann erklärte, mit der Entscheidung des Landessozialgerichts sehe man sich in der Kritik bestätigt. „Das unterstützt unsere Position.“ Er äußerte die Hoffnung, dass Leistungen, die im Auftrag des Landes erbracht würden, wieder angemessen vergütet werden.

Was will das Sozialministerium jetzt tun?

Das Sozialministerium setzt weiter auf die laufenden Verhandlungen über den neuen Landesrahmenvertrag. „Das vorrangige Ziel ist, einen Vertragsabschluss zu erreichen“, so ein Ministeriumssprecher. In mehreren Punkten sei schon Einigkeit erzielt worden.

Die Entscheidungen des Landessozialgerichts bezögen sich auf die drei Antragsteller. „Im Übrigen bildet die Verordnung weiterhin die gültige Rechtsgrundlage für Verhandlungen“, hieß es aus dem Ministerium weiter. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg habe im Juli in einem identischen und ebenso auf die Verordnung bezogenen Verfahren beschlossen, dass der Antrag für Eilrechtsschutz unzulässig sei. Insofern lägen unterschiedliche Auffassungen von Landessozialgerichten vor.

Laut Sozialministerium gab es bislang insgesamt 51 Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz bei Sozialgerichten, 37 davon seien entschieden. Erstinstanzlich seien alle Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt worden.