Kriminalität Kriminalität: Von der Trauer zum Politikum
Graal-Müritz/dpa. - Der Mord an der 16-jährigen Carolin aus Graal-Müritz bei Rostock erschütterte im Juli 2005 dieÖffentlichkeit. Die Schülerin war auf dem Weg zu ihrem Freund imbenachbarten Gelbensande überfallen worden. Ein 29-jährigervorbestrafter Sexualtäter stoppte sie im Waldgebiet Rostocker Heideauf ihrem Fahrrad und zerrte sie tiefer in den Wald, wo er sievergewaltigte und erschlug. Nicht nur die Tat an sich löste Entsetzenaus. Der mutmaßliche Mörder war erst wenige Tage zuvor nach einersiebenjährigen Haftstrafe wegen Vergewaltigung aus dem Gefängnisentlassen worden. Das setzte eine Diskussion in Gang, die sogar voreinem Untersuchungsausschuss im Landtag von Mecklenburg-Vorpommerngeführt wurde. So entwickelte sich der Trauerfall Carolin zumPolitikum.
Carolin war am 15. Juli von ihren Eltern als vermisst gemeldetworden, nachdem sie bei ihrem Freund nicht angekommen war. Drei Tagespäter wurde nach einer groß angelegten Suchaktion ihre Leicheentdeckt und noch am selben Tag Maik S. aus Gelbensande festgenommen.Auf seine Spur kamen die Ermittler unter anderem durch den Hinweiseines früheren Opfers. 1998 hatte er eine damals 22-Jährige in derenWagen entführt, gequält, vergewaltigt und schließlich an einen Baumgefesselt zurückgelassen. Das Geschehen ereignete sich ganz in derNähe des Fundorts von Carolins Leiche. Als die Frau von CarolinsSchicksal erfuhr, erinnerte sie das an ihr eigenes Martyrium, und sieinformierte die Polizei.
Während des Prozesses im November schwieg der Angeklagte trotzeindeutiger Beweislage zunächst beharrlich. DNA-Spuren an der Leicheund am Tatort sowie Zeugen, die ihn am Tag der Tat in der Nähegesehen hatten, deuteten auf den 29-Jährigen. Auch die eindringlicheBitte der Anwältin von Carolins Eltern, die als Nebenkläger demProzess beiwohnten, er möge der Ungewissheit über Carolins Schicksalein Ende machen, ließen ihn offenkundig kalt. Erst als der Richterden Angeklagten nach einem Schlusswort fragte, sagte dieser: «DasGeschehene tut mir furchtbar leid.» Richter und Staatsanwaltschaftwerteten dies als Geständnis. Das Urteil nach vier Prozesstagenlautete auf lebenslänglich mit anschließender Sicherungsverwahrung.
Doch damit war der Fall nicht beendet. Carolins Eltern warfen derJustiz vor, dass der Mörder ihrer Tochter nach der ersten Haftstrafewegen Vergewaltigung trotz bescheinigter Gefährlichkeit freigelassenworden war. Politische Rückendeckung bekamen sie von deroppositionellen CDU im Schweriner Landtag. SPD-Justizminister ErwinSellering verwies dagegen auf die Rechtslage, wonach einenachträgliche Sicherungsverwahrung nur unter bestimmtenVoraussetzungen hätte verhängt werden können, die in diesem Fall abernicht gegeben waren. Rechtsexperten bestätigten dies vor demUntersuchungsausschuss. So wurden dann auch im Abschlussbericht derrot-roten Landtagsmehrheit Ende Juni 2006 keine Vorwürfe gegen dieJustiz erhoben, während die CDU ihre gegenteilige Meinung in einemSondervotum ausdrückte.
In Carolins Heimatort Graal-Müritz ist ein Jahr nach der Tat unddem folgenden Ansturm der Medien ein wenig Ruhe eingekehrt. So siehtes Christine Scholz, Carolins Großtante und stellvertretendeBürgermeisterin des Ostseebades. «Bei den jungen Leuten, die Carolinkannten, ist jedoch immer noch Trauer da. Jeder geht auf seine eigeneWeise damit um.» Carolins Eltern etwa erinnern mit der Internetseitewww.unsere-carolin.de an ihre Tochter. An diesem Sonntag wird ineinem Gottesdienst der Toten gedacht. Dabei wird auch ein für Carolinkomponiertes Stück für Orgel und Geige gespielt. Im viel besuchtenRhododendronpark in Graal-Müritz wurde außerdem eine neue Art nachCarolin benannt.