Kriminalität/Musik Kriminalität/Musik: Vom Idol zur gejagten Verführerin

Rio de Janeiro/dpa. - Die bewegte Lebensgeschichte der 31-Jährigen erreichte dieserTage ihren vorläufigen Kulminationspunkt. Die Regierung vonBrasilien beschloss völlig überraschend, die Starsängerin an Mexikoauszuliefern, wo sie der Entführung und Verführung Minderjährigerbeschuldigt wird - obwohl Trevi in vier Monaten ein brasilianischesKind zur Welt bringen wird. In ähnlichen Fällen hatte die Regierungin Brasilia häufig anders entschieden. So hatte Brasilienjahrzehntelang die Auslieferung des britischen Posträubers RonnieBiggs abgelehnt, weil dieser mit einer Striptänzerin einengemeinsamen brasilianischen Sohn hatte.
Die Behörden wollen im Fall Trevi nun aber herausgefunden haben,dass die seit fast zwei Jahren in einem Hochsicherheitsgefängnis inBrasilia einsitzende Sängerin sich entweder bei einem Arztbesuchkünstlich befruchten ließ oder ein Komplize eine mit Sperma gefüllteInjektionsspritze in ihre Zelle warf. «Wir sind nach eingehendenErmittlungen sicher, dass das so abgelaufen sein muss», meinte einPolizeisprecher. Die Mexikanerin habe in der Absicht gehandelt, dieAuslieferung zu umgehen, hieß es. Die Sängerin habe dort nicht dasRecht auf «Intimbesuch» gehabt. Der Schwangerschafts-Skandal kostetesogar den Chef der Bundespolizei in Brasilia das Amt.
In einem ihrer wenigen Interviews bestritt die so genannte«Latino-Madonna» derweil die «unbefleckte Empfängnis». Sie willnicht verraten, wie sie schwanger wurde, deutet aber eineVergewaltigung an. «Ich war das Opfer», behauptet die junge Frau mitder Engelsmiene. «La Trevi», die in den 90er Jahren vom Rio Grandebis Feuerland Millionen Platten verkaufte und in Mexiko dieunumstrittene Nummer eins war, stößt auch einen Hilferuf aus: «Ichwill nicht nach Mexiko, weil man mich dort umbringen wird.»
Worauf sich diese Furcht gründet, erklärt Trevis Anwalt OtavioBezerra: «Meine Mandantin ist Opfer einer ideologischen undpolitischen Hetzjagd. Viele Politiker im noch immer erzkonservativenMexiko nutzen den Skandal aus, um Stimmen zu gewinnen. Viele Leutekommen dort mit der Jagd nach Gloria zu Geld und Ruhm, und vielekonservative Hausfrauen würden sie am liebsten eigenhändig lynchen»,sagt er.
Tatsächlich zeichnete sich die Pop-Punk-Queen Gloria Trevi durchtabubrechende Lieder unter anderem über sexuelle Befreiung aus, diesie vor allem bei Intellektuellen und jungen Mädchen beliebt machten- ihr aber gleichzeitig den Hass des politischen, gesellschaftlichenund medialen Establishments einbrachten. Fest steht, dass Mexikostarken Druck ausgeübt hat, damit Trevi ausgeliefert wird. «Ich habees geschafft!», soll die mexikanische Botschafterin in Brasilia nachder Ankündigung durch Justizminister Jose Gregori laut gejubelthaben.
Der Skandal um Trevi sorgt in ganz Lateinamerika seit fast vierJahren für Schlagzeilen. Anfang 1998 waren Trevi sowie ihr Managerund Lebensgefährte Sergio Andrade (48) von den Eltern einer Tänzerinihrer Musiktruppe wegen «Entführung» und «Verführung» angezeigtworden. Nach Ausbruch des Skandals meldeten sich plötzlich andere Ex-Angehörige der Trevi-Gruppe bei der Justiz mit ähnlichen Anzeigen. Trevi und Andrade tauchten daraufhin monatelang unter. Im Januar 2000 wurden sie schließlich in Rio im Strandviertel Copacabana zusammen mit einer weiteren Mexikanerin dingfest gemacht. Nun steht ihnen die Rückreise nach Mexiko in Handschellen bevor.