1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Kriminalität: Kriminalität: Der «Kannibale von Rotenburg» steht erneut vor Gericht

Kriminalität Kriminalität: Der «Kannibale von Rotenburg» steht erneut vor Gericht

12.01.2006, 09:31
Der als «Kannibale von Rotenburg» bekannt gewordenen Armin Meiwes im Sitzungssaal des Landgerichts in Frankfurt am Main. (Foto: dpa)
Der als «Kannibale von Rotenburg» bekannt gewordenen Armin Meiwes im Sitzungssaal des Landgerichts in Frankfurt am Main. (Foto: dpa) dpa

Frankfurt/Main/dpa. - Im zweiten Prozess gegen den «Kannibalen von Rotenburg» hält die Verteidigung daran fest, dass ihr Mandant sein Opfer auf dessen Verlangen getötet habe. Der 44 Jahre alte Armin Meiwes könne daher nicht wegen Mordes verurteilt werden, sagte Rechtsanwalt Joachim Bremer am Donnerstag zum Prozessauftakt vor dem Frankfurter Landgericht.

Dort muss sich der Computertechniker Meiwes zum zweiten Malverantworten, weil er nach eigenem Geständnis im März 2001 einenIngenieur aus Berlin getötet, zerlegt und schließlich in Teilengegessen hat. Ein erstes Urteil des Landgerichts Kassel zuachteinhalb Jahren Haft wegen Totschlags hatte der Bundesgerichtshof(BGH) aufgehoben und die genaue Prüfung mehrerer Mordmerkmaleverlangt. Eine Tötung auf Verlangen hatten die Karlsruher Richternach den Kasseler Prozessakten verworfen. Dieses Delikt kann mithöchstens fünf Jahren Haft geahndet werden.

Die Wertungen des BGH seien für das Frankfurter Gericht keineswegsbindend, erklärte hingegen Anwalt Bremer. Das Schwurgericht müssewieder bei Null beginnen und das gesamte Verfahren neu aufrollen.«Wir stehen rechtlich am selben Punkt wie das Landgericht Kassel am3. Dezember 2003.» Das spätere Opfer, das Meiwes über das Internetkennen gelernt hatte, habe an seinem Sterbewillen auch anderenMenschen gegenüber keinen Zweifel gelassen. «Diese in der deutschenRechtsgeschichte einmalige Tat ist rechtlich als Tötung auf Verlangenzu werten.»

Der Prozess hatte am Morgen holprig begonnen. Noch vor Verlesungder Anklage verlangten die Verteidiger die Überprüfung eines derSchöffen und später aus formalen Gründen die Verlegung des Verfahrensan ein anderes Gericht. Für eine weitere Verzögerung sorgte einFehler beim Überspielen des während der Tat von Meiwes selbstaufgenommenen Videofilms. Auf den DVDs der Verteidiger fehlten 40Minuten des blutigen Geschehens. Gegenstand der FrankfurterVerhandlung wie auch des Prozesses in Kassel sei aber immer dasOriginalvideo in voller Länge gewesen, versicherte dieStaatsanwaltschaft. Es seien keine neuen Bilder. Neu ist hingegen einGutachten des Landeskriminalamtes zur Tonspur des Materials.

Das Gericht lehnte den Antrag auf Unterbrechung des Prozesses zurÜberprüfung des nachgerückten Schöffen ab. Die ursprünglich für dasVerfahren vorgesehene Frau war von dieser Verpflichtung entbundenworden, weil sie schon einen längeren Auslandsaufenthalt gebuchthatte, so dass ein neuer Laienrichter nachrücken musste. Aus Sorge umdie psychische Stabilität der Schöffen hat die Kammer gleich zweiErgänzungsschöffen benannt. Über die Zuständigkeit des FrankfurterLandgerichts soll später befunden werden. Die Anwälte hattenverlangt, erneut in Kassel oder in Fulda zu verhandeln, da diesesLandgericht seit 2005 auch für den Bereich Rotenburg zuständig sei.

Staatsanwalt Marcus Köhler wiederholte die bereits aus Kasselbekannte Anklage, nach der Meiwes getötet haben soll, um andereVerbrechen begehen zu können, etwa die Störung der Totenruhe. Der BGHhat zudem eine Verurteilung wegen Lustmordes nahe gelegt und außerdemvon dem neuen Gericht die Prüfung verlangt, ob Meiwes aus niederenBeweggründen gehandelt hat.

Relativ unstrittig ist hingegen das tatsächliche Geschehen, dasKöhler gerafft vortrug. Nach etlichen Internet-Kontakten hatte sichder Berliner Ingenieur nach Nordhessen aufgemacht und Meiwes aufseinem einsam gelegenen Hof bei Rotenburg besucht. Am Abend des 9.März 2001 hatte Meiwes seinem mit Alkohol und Tabletten halbbetäubtem Opfer zunächst den Penis abgeschnitten und vergeblichversucht, diesen zu essen.

In der Nacht hat er dem Mann schließlich die Kehledurchgeschnitten und ihn damit getötet. Das Menschenfleisch zerlegteer in Portionen und aß in der Folge etwa 20 Kilogramm davon auf. Dergrausige Fall hat weltweites Aufsehen erregt und dient als Stoffunter anderem für den Hollywood-Film «Rohtenburg», von dem sichMeiwes vorverurteilt fühlt und gegen den er rechtliche Schritteangekündigt hat.

Der bereits im ersten Prozess ausgesprochen kooperative Angeklagtehat für das Frankfurter Verfahren eine ausführliche Stellungnahmeangekündigt. Zum Prozessauftakt erschien er korrekt mit Anzug, Hemdund Krawatte gekleidet. Nachdem ihm die Handschellen abgenommenworden waren, scherzte er gelöst mit seinen Verteidigern.