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Kriminalität Kriminalität: Anklage gegen Eltern der verschwundenen Nadine

Von Anita Pöhlig 22.01.2007, 18:21
Der Leiter der Kriminalinspektion in Gifhorn, Jürgen Schmidt, spricht während einer Pressekonferenz in Gifhorn zu den Medienvertretern.(Foto: dpa)
Der Leiter der Kriminalinspektion in Gifhorn, Jürgen Schmidt, spricht während einer Pressekonferenz in Gifhorn zu den Medienvertretern.(Foto: dpa) dpa

Gifhorn/Hildesheim/dpa. - Die Ermittler haben das Mosaikzusammengefügt, der Fall der kleinen Nadine aus Niedersachsen kommtvor Gericht: Die Staatsanwaltschaft Hildesheim hat nach Angaben vomMontag Anklage gegen den 31 Jahre alten Vater und gegen die 30 Jahrealte Mutter des verschwundenen Mädchens erhoben. Danach soll der 31-Jährige die Zweijährige misshandelt haben, bis sie starb. Die Muttersoll tatenlos zugeschaut haben. Nadines Leiche habe der Vater aneinem unbekannten Ort verscharrt.

Viele Details zum Leben und Sterben des kleinen Mädchens ausGifhorn sind auch während der monatelangen Ermittlungen im Dunkelngeblieben. Die Eltern hatten ausgesagt, die Zweijährige sei im Januar2003 nach einem Sturz aus dem Hochbett gestorben. Aus Angst vor denBehörden hätten sie die Leiche einige Tage danach im Harz vergraben.«Wir haben mosaikhaft die Stücke zusammengefügt und danach einanderes Bild bekommen», sagte Oberstaatsanwalt Bernd Seemann.

Passagen aus der 41-seitigen Anklageschrift lassen das Martyriumdes kleinen Mädchens erahnen. Danach soll der Vater seine im Oktober2000 geborene Tochter zwischen Dezember 2001 und August 2002 vielfachmisshandelt und verletzt haben. Einmal soll er die Füße des Kindesverbrannt haben. Längere Zeit habe er Nadine hungern lassen und soihren Tod verursacht. Die Anklage gegen ihn lautet aufKörperverletzung mit Todesfolge und Misshandlung. Jahrelangvertuschten die Eltern das Verschwinden des Mädchens. Sie gaben eineJahre später geborene Schwester gleichen Namens als Nadine aus.

Ins Rollen gebracht wurden die Ermittlungen von einer Freundin derMutter, die sich im vergangenen Jahr an die Polizei gewandt hatte.Nadines Mutter - unter Druck geraten durch einen bevorstehendenSchultest - habe sich ihr offenbart, sagte die Frau aus. Die 30-Jährige soll laut Anklage die Übergriffe ihres Mannes auf Leib undLeben des Kindes zugelassen und damit durch Untätigkeit zum Todbeigetragen haben. «Obwohl sie in der Lage dazu gewesen wäre, hat dieMutter nichts dagegen unternommen», sagte Seemann.

Die Staatsanwaltschaft hat 54 Zeugen benannt. Dazu gibt es lautSeemann ein rechtsmedizinisches Gutachten, Akten überfamilienrechtliche Streitigkeiten, Jugendamtsakten, Schulakten,ärztliche Befunde, Videofilme und Fotos der Familie, die dazubeitragen sollen, Nadines Schicksal zu klären. Die Eltern selbsthatten nach ihrer Festnahme widersprüchliche Aussagen gemacht. Sohatte die Mutter zu Protokoll gegeben, Nadine sei einen Tag nach demSturz gestorben, der Vater hatte von mehreren Tagen danachgesprochen. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass man den Tod seinesKindes vergisst», sagte Seemann.

Gestorben ist Nadine vermutlich in Neudorf-Platendorf, einerkleinen Gemeinde vor den Toren Gifhorns. Nach dem Tod ihrer Tochterzog die Familie mit damals zwei Kindern nach Gifhorn. Dort lebte sieoffensichtlich sehr zurückgezogen. Nicht nur der Tod Nadines bliebBehörden, Nachbarn und Verwandten verborgen, auch die Geburt zweierweiterer Kinder. Ob das Gericht bei der Hauptverhandlung noch weitereDetails über das Leben und Sterben Nadines herausbekommt, bleibtabzuwarten. Nach ihren ersten Aussagen schweigen die Eltern.