Köln Köln: Viel nackte Haut beim «Rosa Karneval»

Köln/dpa. - Ausgelassenheit liegt in der Luft an diesem Sonntagin Köln. Es wird getanzt, flaniert, geflirtet. Kein Wunder, denn die700 000 Feiernden beim Christopher Street Day (CSD) freuen sich überein Jubiläum: «Unsere Freiheit hat Geschichte. 40 Jahre CSD», heißtdas Motto. Trotz sommerlicher Temperaturen ist allerdings nicht alleseitel Sonnenschein. Die Szene streitet über eine neue CSD-Charta, dieallzu großer Freizügigkeit Einhalt gebieten soll.
Ralph (39) zum Beispiel ruft von Wagen Nr. 9 herunter: «Kann garnicht nackt genug sein! Es ist Blödsinn, das zu reglementieren!» Undauch Blacky (56), werktags Angestellter im öffentlichen Dienst,findet: «Die Spießer sollen zu Hause bleiben». Sein Wagen hat dasMotto «Leidenschaft ist keine Sünde». Auf einem Transparent steht:«Weg mit der "Charta"!»
Bei den Kostümen ist auch diesmal wieder für jeden Geschmack etwasdabei, vom Ganzkörperanzug in schwarzem Lack über aufwendige Trachtenà la Rio de Janeiro, bis hin zum «Normalo-Outfit» in weißer Jeans undpinkfarbenem Polohemd. Etwas arg Provozierendes ist allerdings trotzdes heißen Wetters kaum zu entdecken - hat die Charta vielleicht dochWirkung gezeigt? In der Vergangenheit hatte es immer wieder Kritikgegeben. Noch am Samstag wetterte Kurienkardinal Walter Kasper gegendas «Zur-Schau-Stellen, diese Propaganda bei den Christopher-Street-Days».
Mit konservativen katholischen Würdenträgern hat man in Köln seitlangem Erfahrung, das wird locker weggesteckt. Die Leute sind zumFeiern hier. Peter (52) trägt eine Art schwarz-beigefarbenen Lack-Smoking, seine Begleiterin Petra (48) das passende Kleid mit roterKorsage und Hut. Beide gehören «mehr zur SM-Fraktion». Sie freuensich, dass auch diesmal wieder so viele Zuschauer gekommen sind: «Dasist ja die Bühne schlechthin, davon träumt ja jeder Schauspieler»,findet Peter.
Der Kölner CSD-Zug genießt in der Szene einen besonderen Ruf.«Mehr Leute, mehr Action, mehr Zuschauer», fasst die SozialpädagoginManuela (48) die Stimmung zusammen. Manuela ist blass geschminkt undträgt eine Herrenperücke, die an Mozart erinnert. Kerstin (34) nebenihr ist in einem kunstvollen Reifrock aus verschiedenen Stoffen insilber und pink erschienen. Nicht umsonst sagt man in Köln: «D'r rosaZoch kütt!» Von einer Charta für den CSD halten Manuela und Kerstinnichts. «Leben und leben lassen. Wem das nicht gefällt, der sollwegbleiben.»
Walter (35) und Markus (25) sind extra aus Österreich angereist.Sie haben sich den ganzen Körper mit Gold- oder Silberfarbe bemalt.Alle zwei Meter müssen sie stehenbleiben und für ein Foto posieren.Gerade wegen dieser Kölner Toleranz sind sie auch so gerne hier: «InKöln sind die Leute aufgeschlossener», findet Walter. Und wo man sichauch umhört: Die meisten Paradeteilnehmer halten die rheinischenFrohnaturen für besonders tolerant und locker.
Marcos Schlüter alias René Gligée ist «Ende 30», trägt einenbordeauxroten Overall mit passender Perücke und eine große Brille.Auch der Comedian und Schauspieler ist ein großer Fan des Kölner CSD.Obwohl die verschiedenen Gruppen innerhalb der Szene sichuntereinander «nicht immer grün» sind, spürt er hier die geballteEnergie, den Zusammenhalt zwischen ihnen. Er gehört zu den wenigen andiesem Tag, die sich für eine Charta aussprechen: «Mit nacktenHintern bekommt man keine Solidarität bei der öffentlichen Masse».