Kittelschürzen Kittelschürzen: als Sammlerobjekt

Dallgow-Döberitz/dpa. - Hell und farbenfroh sind sie ihm am liebsten. „Aber diese schönen kräftigen Töne gibt es nicht mehr so oft“, sagte Michael Bausch. Der 53-Jährige aus Brandenburg ist ein Schürzenjäger. Kittelschürzen aus Dederon - im Westen Nylon - sind das Objekt seiner Begierde. Rund 200 Exemplare des unverwüstlichen Überbleibsels aus DDR-Zeiten hat er in knapp vier Jahren zusammengetragen. „Das ist eine mühsame Sammelei“, berichtet der Havelländer. Denn die wahren Fans der sozialistischen Zweckbekleidung werden immer älter und rarer.
„Die Jahrgänge sind bald weg“, sagt Bausch nüchtern. Per Anzeige sucht er nach originalen Restbeständen. Von Südbrandenburg bis in die Prignitz klappert er Haushalte ab, um sein Sortiment zu erweitern. „Manche sind noch original verpackt oder kaum getragen“, schildert der Händler von Futtermittel und Angelbedarf. „Die haben die Frauen früher „für gut“ weggelegt“, berichtet Bausch. Oft waren es auch Geschenke zum Geburtstag oder zu Weihnachten. Zwischen 40 und 60 DDR-Mark musste man bezahlen, berichtet eine frühere Verkäuferin. Das ist etwa so viel wie eine Monatsmiete in der DDR, bei einem durchschnittlichen Monatsverdienst von rund 600 DDR-Mark. Die Dederonschürze war damit ein Luxusgut.
Bauschs Sammlung braucht den Vergleich zum professionellen Fundus des Filmstudios Babelsberg, in dem Schätze des DDR-Filmunternehmens lagern, nicht zu scheuen: Rund 200 bis 300 Kittelschürzen aus Nachkriegszeiten lagern dort, berichtet Mitarbeiterin Kathrin Wagner.
„Ich habe die meisten Exemplare aus dem ländlichen Raum bekommen“, berichtet Bausch. Etwa 100 der schönsten Exemplare präsentiert der Sammler in einem Schrank in seinem Angelshop. Es sind farbenfrohe Kittelschürzen - und alle haben einen Kragen. Andere kommen Bausch nicht ins Haus. Grund: Schürzen mit Kragen würden heute nicht mehr hergestellt, so der Experte.
„Früher trug das fast jede Frau. Das ist auch ein bisschen Nostalgie“, sagt er. Diese Nostalgie hat auch die Chefin des „Schürzenparadies“ im sächsischen Olbernhau, H.-Maria Mieritz, beobachtet. „Das ist ein Traditionsprodukt“, so die 77-Jährige. In den ersten Jahren nach der Wende sei die Schürze nicht so gefragt gewesen, doch schon wenige Jahre später vermissten die Hausfrauen Vertrautes. „Wir waren eine der ersten Firmen, die mit der Schürze wieder auf dem Markt waren“, berichtet die Unternehmerin.
Seit knapp zwei Jahren ist das „Schürzenparadies“ auch online. „Inzwischen haben wir monatlich rund 700 Zugriffe auf unsere Seite“, sagt die Chefin. Das dreiköpfige Team lässt die Kittelschürzen ausschließlich von ostdeutschen Firmen anfertigen. Unternehmen gibt es in Sachsen oder Thüringen, beispielsweise die 1990 reprivatisierte Firma Martin Kraus Textilkonfektion GmbH in Treuen.
Auch beim Ostprodukte-Versand fehlt die Kittelschürze nicht im Sortiment. Für 19,50 Euro ist sie in vielen Farben und allen Größen erhältlich - allerdings nur ohne Kragen. „Das ist aber mehr etwas für Liebhaber. Für diejenigen, die das früher auch getragen haben“, meint Geschäftsführer Torsten Klipp. Rund 1200 Ostprodukte vertreibt sein Internet-Handel in Tangermünde (Sachsen-Anhalt).
Wenn auch die Schürze im Handel eher out ist - die Kunstfaser ist es nicht. „Beutel aus Dederon sind der Oberrenner“, berichtet Klipp. Etwa 1000 Exemplare werden monatlich im Durchschnitt geordert, so Klipp. Statt im Müll zu landen, werden die Reste vom Zuschnitt für Kittel & Co. zum schicken Utensil. Eine der Trendsetterinnen, die damit ihr Geld verdienen, ist Melanie Thamm in Berlin. Die 44-Jährige hat Dederon 2001 als Stoff für individuelle Taschen entdeckt. „Der Stoff ist sehr strapazierfähig, leicht, gut zu waschen und prima zu verarbeiten“, schwärmt die gebürtige Oldenburgerin.