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Jedes 10. Kind in reichen Ländern wird misshandelt

03.12.2008, 06:27

London/dpa. - Rund jedes zehnte Kind in den Industrieländern wird misshandelt. Zu diesem Schluss kommt eine alarmierende Analyse zur Gewalt gegen Kinder, die am Dienstag vom britischen Medizinjournal «The Lancet» in London präsentiert wurde.

Schläge und andere körperliche Gewalt müssen demnach jedes Jahr 4 bis 16 Prozent der Kinder in den reichen Ländern erdulden. Bis zu 15 Prozent der Mädchen und bis zu 5 Prozent der Jungen erleiden sexuellen Missbrauch vor ihrem 18. Geburtstag.

Ein bis 15 Prozent werden bedrohlich vernachlässigt, so dass ihre emotionalen und körperlichen Grundbedürfnisse nicht erfüllt sind. «Es gibt wachsende Beweise dafür, dass Vernachlässigung in der Kindheit ebenso schädlich sein kann wie körperliche Misshandlung oder sexueller Missbrauch», heißt es in dem Bericht. Psychische Misshandlung, durch die sich Kinder wertlos, unerwünscht oder verängstigt fühlen, betreffe pro Jahr rund 10 Prozent aller Mädchen und Jungen.

Insgesamt verzeichneten offizielle Statistiken meist nur ein Zehntel aller dieser Fälle, schreiben die Mediziner um Prof. Ruth Gilbert vom University College London. «Kindesmisshandlung ist alltäglich und für viele ein Dauerzustand», warnen die Ärzte. Mehr Aufmerksamkeit müsse vor allem der Vernachlässigung von Kindern geschenkt werden, die öffentlich bislang zu wenig wahrgenommen werde.

Vernachlässigung und direkte Gewalt kosteten Schätzungen zufolge pro Jahr weltweit mehr als 150 000 Kinder unter 15 Jahren das Leben, betonen die Autoren der Analyse. Für 95 Prozent dieser Todesfälle seien Eltern oder Stiefeltern direkt verantwortlich. Auch die große Mehrheit anderer Misshandlungen werde von den eigenen Eltern verübt. Eine Ausnahme sei dabei der sexuelle Missbrauch, der vor allem durch andere Familienmitglieder oder Bekannte geschehe.

Gewalt gegen Kinder habe zahlreiche schädliche Langzeitfolgen, insbesondere für das Verhalten. So würden etwa von misshandelten Mädchen doppelt so viele wegen eines Gewaltverbrechens festgenommen wie unter nicht misshandelten Mädchen. Deutlich häufiger seien bei Menschen, die in der Kindheit Gewalt erleiden mussten, auch Alkohol- und Drogenmissbrauch, Prostitution, Depressionen, Selbstmordversuche, Essstörungen und posttraumatische Belastungsstörungen.