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Schnee, Eis, Kälte Droht Deutschland ein "Jahrhundertwinter"? Das ist dran an den Spekulationen

In einigen Medien kursieren derzeit Meldungen über einen "Jahrhundertwinter" mit viel Schnee und eisiger Kälte, der angeblich ansteht. Doch was sagen Experten: Kommt der Extremwinter wirklich?

Von Johanna Ahlsleben/mit dpa Aktualisiert: 18.11.2025, 17:04
Einige Prognosen warnen vor einem Jahrhundertwinter, Doch lässt sich so etwas überhaupt seriös vorhersagen?
Einige Prognosen warnen vor einem Jahrhundertwinter, Doch lässt sich so etwas überhaupt seriös vorhersagen? Foto: picture alliance/dpa | Matthias Bein

Berlin/Magdeburg/Halle (Saale)/DUR. – Steht Deutschland ein "Jahrhundertwinter" bevor? Derzeit kursieren Meldungen, die darüber spekulieren. Dabei kommen etwa eine mögliche Abschwächung des Polarwirbels und eine beginnende Phase des kühlenden Klimaphänomens La Niña zur Sprache.

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Was ist ein "Jahrhundertwinter" eigentlich?

Eine wissenschaftliche Definition vom "Jahrhundertwinter" gibt es nicht. Es handelt sich aber auf jeden Fall um einen Winter, der extrem kalt und schneereich ist.

Das Wort komme nicht vom Deutschen Wetterdienst (DWD), sagte Meteorologe Andreas Walter gegenüber der Berliner Morgenpost. Ihm zufolge ist der Begriff "aus der Luft gegriffen".

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Wie belastbar sind solche Winter-Prognosen überhaupt?

Und der DWD bremst: Eine Winter-Prognose sei aktuell noch "sehr unsicher". Zwar erstellen meteorologische Dienste wie der DWD hierzulande sogenannte Jahreszeitenvorhersagen. Diese liefern jedoch keine konkreten Wetterdaten für einzelne Tage oder Wochen.

Stattdessen beruhen sie auf Wahrscheinlichkeiten für klimatische Tendenzen über einen Zeitraum von etwa drei Monaten. Es handelt sich dabei also nicht um klassische Wetterprognosen, sondern um langfristige Vorhersagen, die auf komplexen Klimamodellen basieren.

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Saisonale Vorhersagen beschreiben klimatische Tendenzen über drei Monate hinweg und unterscheiden sich deutlich von der täglichen Wettervorhersage. Zwar lassen sich daraus Hinweise auf mögliche Entwicklungen ableiten, doch die Aussagekraft bleibt begrenzt.

Was lässt sich schon über den Winter 2025/26 sagen?

"Insgesamt gibt es zwischen den verschiedenen Modellen der Weltorganisation für Meteorologie große Unterschiede bei der Vorhersage des Polarwirbels, der Bodenluftdruckfelder und der Nordatlantischen Oszillation", so der DWD. "Viele Modelle sagen für den Winter 2025/2026 einen schwachen Polarwirbel in der Stratosphäre vorher."

Ein schwacher Polarwirbel könne zeitlich und räumlich versetzt eine großräumige Veränderung troposphärischer Zirkulationsmuster nach sich ziehen. Damit könnten arktische Luftmassen in den Süden vordringen und das Winterwetter bestimmen.

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"Ob solche Kaltlufteinbrüche über Europa ausbrechen, kann lediglich ein paar Wochen im Voraus vorhersagt werden", betont der DWD. "Von einem 'Jahrhundertwinter' kann zum aktuellen Zeitpunkt nicht gesprochen werden."

Die DWD-Prognose lautet stattdessen: "Die aktuelle Temperaturvorhersage zeigt für Deutschland eine starke Tendenz (86 Prozent) für einen normalen bis wärmeren Winter (Dezember bis Februar) im Vergleich zum Durchschnitt der Winter im Zeitraum 1991 bis 2020."

Der DWD betont aber: "Die Vorhersagequalität der saisonalen Klimavorhersage ist schlecht."

Sind langfristige Prognosen besser geworden?

Lara Wallberg vom Max-Planck-Institut für Meteorologie fällt eine positivere Bewertung: "Saisonale Vorhersagen für den europäischen Winter bleiben eine anspruchsvolle Aufgabe, sind aber im Vergleich zu anderen Jahreszeiten relativ am zuverlässigsten und haben sich besonders in den letzten Jahren merklich verbessert."

Großräumige Tendenzen – etwa ein eher milder oder kälter verlaufender Winter – ließen sich zunehmend konsistenter abbilden.

Doch auch Wallberg unterstreicht: "Dennoch bleiben Unsicherheiten aufgrund der komplexen Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Ozean und Stratosphäre bestehen, auch wenn verbesserte Modelle heute realistischere Wahrscheinlichkeitsabschätzungen als früher liefern."

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Insgesamt seien saisonale Temperaturprognosen für den europäischen Winter mäßig zuverlässig, während Niederschlagsvorhersagen oft nur geringe Aussagekraft hätten. "Dennoch sind saisonale Wintervorhersagen wertvoll, weil sie wahrscheinliche Trends aufzeigen, die für Energieplanung, Landwirtschaft oder Straßen- und Katastrophenmanagement genutzt werden können."

Wann erlebte Deutschland die letzten Extremwinter?

Im 20. Jahrhundert gab es in Deutschland zwei extreme Kälteperioden. Der Winter 1962/63 war mit einer Mitteltemperatur von -5,5 Grad Celsius der kälteste seit Beginn der Wetter-Aufzeichnungen 1881. Damals fror der Bodensee das letzte Mal vollständig zu.

Auch der Extremwinter 1978/79 dürfte einigen in Erinnerungen geblieben sein. Damals suchten Schneestürme, Schneefälle und Kälte von außergewöhnlichem Ausmaß Deutschland heim.

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In der DDR wurde Rügen durch einen 72-stündigen Schneesturm von der Außenwelt abgeschnitten. In Jena waren Babys aufgrund einer Fernwärmehavarie in Lebensgefahr. Sie wurden mit dem Bus ins warme Krankenhaus gebracht. 

Sind "Jahrhundertwinter" aufgrund des Klimawandels überhaupt noch möglich?

Extremwinter wie im 20. Jahrhundert seien heute aufgrund des Klimawandels sehr unwahrscheinlich. Dem SWR zufolge werden die Winter im Durchschnitt milder. Wetterextreme, dazu gehören auch starke Schneefälle, sind aber weiterhin möglich.

Die Winter in den Jahren 2009/10 und 2010/11 waren in den vergangenen Jahren am kältesten.