Hintergrund Hintergrund: Eisenbahnbundesamt ist kein TÜV
Berlin/ddp. - S-Bahnwagen die offenbar jahrelang mit fragwürdigerZulassung unterwegs sind. Bremsprobleme einer ganzen Baureihe, dieerst nach Jahren auffallen. Fehlende Eisenbahnkontrollen im laufendenBetrieb. Im Zusammenhang mit dem Berliner S-Bahnskandal undmassenhaft entdeckten Mängeln an Güterzügen gerät das in Bonnansässige Eisenbahnbundesamt (EBA) in die Kritik. Es ist dieAufsichts- und Genehmigungsbehörde im Eisenbahnbereich. Auf ihrerHomepage heißt es auch: «Das EBA ist die Sicherheitsbehörde für dieEisenbahnen in Deutschland.»
Eine Art TÜV ist das EBA aber nicht. Bei Fragen nach derSicherheit und Zulassung von Schienenfahrzeugen verweist die Behördeauf das Allgemeine Eisenbahngesetz. Dort heißt es: «Die Eisenbahnensind verpflichtet, ihren Betrieb sicher zu führen und dieEisenbahninfrastruktur, Fahrzeuge und Zubehör sicher zu bauen und inbetriebssicherem Zustand zu halten.» Es herrscht das Prinzip einerweitgehenden Selbstkontrolle.
In der Praxis bedeutet das, dass Unternehmen ihre Fahrzeugespätestens alle acht Jahre einer Untersuchung, Revision genannt,unterziehen. Was sie im Einzelnen zu tun haben, ist rechtlich abernicht genau festgelegt. Der frühere EBA-Chefjurist Hans-JürgenKühlwetter sagt dazu: «Das ist, als wenn die Behörden Ihnen sagenwürden: Sie müssen sich alle zwei Jahre unter Ihren Wagen legen undihn überprüfen. Und dann schicken Sie einen Brief hin und schreiben:Ist erledigt. Und dann vertraut man darauf, dass das auch stimmt.»
Ähnliches gilt für die Zulassung von Fahrzeugen. Auch hier weistdas Gesetz den Eisenbahnen die Verantwortung für die Sicherheit derFahrzeuge zu. Der Hersteller dokumentieren, dass sein Fahrzeug sicherist und den Vorschriften entspricht. Die Aufsichtsbehörde prüftsämtliche Unterlagen auf Vollständigkeit und Plausibilität. Dochwährend bei neuartigen Personenwagen das Kraftfahrtbundesamtbeispielsweise die Leistung von Bremsen tatsächlich testet,entscheidet das EBA fast ausschließlich nach Aktenlage. Zwar heißt esbeim EBA: «Bei bestimmten Prüfungen behält sich dasEisenbahn-Bundesamt vor, die Vor-Ort-Versuche beim Hersteller zubegleiten.» Doch dies bezeichnen Insider als Ausnahme. Auch hier einenormer Vertrauensvorschuss, diesmal für die Hersteller.
Diese Konstruktion ist nach Ansicht vieler Fachleute eine Folgeeines veralteten Bahnverständnisses. Zu Zeiten der Bundesbahn - dieoft auch als Behördenbahn tituliert wurde - gab es dort eine Arteigenen TÜV. Man vertraute «der Bahn». Dieses Vertrauen wurde nachEinschätzung von Insidern mit der Bahnreform von 1994 auf dengesamten, privatrechtlich organisierten Bahnbereich, übertragen.
ddp/oja/rab
161155 Nov 09