Großbritannien Großbritannien: Starkoch Jamie Oliver zieht es nach Berlin
London/dpa. - Zum ersten Mal seit Jahrzehnten hat «Good Housekeeping» soeben wieder einen Mann auf den Titel gehoben. Zuletzt war es im Mai 1937 der neue König George VI., der Vater der Queen. In der November-Ausgabe blickt Jamie Oliver von dort herab.
Mit 31 Jahren ist der Fernsehkoch der unumstrittene König der britischen Küche. Eben erst hat er mit einer neuen TV-Serie Quote gemacht, das neue Kochbuch hat es sofort auf Platz eins der Bestseller-Liste geschafft, und in den Supermärkten steht seit dieser Woche eine neue Serie von «Jamie»-Produkten, von Spaghettisoße bis Olivenöl. Längst ist der Sohn eines Pub-Besitzers, der vor zehn Jahren von der BBC fürs Fernsehen entdeckt wurde, mehrfacher Millionär.
Außerdem hat Premier Tony Blair den Mann mit dem frechen Mundwerk und der schnellen Auffassungsgabe zu einer Art halbamtlichem Ernährungsratgeber seiner Labour-Regierung gemacht: Seit drei Monaten gelten an den britischen Schulen neue Essens-Regeln (mehr Obst und Gemüse, weniger Fish and Chips), die auf Olivers Vorschläge zurückgehen.
Und als ob das nicht schon genug wäre, wurde Oliver in einer Umfrage jetzt auch noch zu dem Mann gekürt, den die Britinnen am liebsten als Premierminister sähen. Manche nennen ihn schon den neuen «Nationalheiligen». Aber es gibt auch Landsleute, die des allgegenwärtigen Starkochs längst überdrüssig sind. Und wenn man dem «Chef» glauben darf, wie die Briten ihre besseren Köche nennen, wird ihm das alles allmählich auch selbst zu viel.
«Alle denken, ich sei ein Workaholic. Aber eigentlich bin ich ein fauler Mensch», behauptet Oliver an seinem großen Küchentisch im Londoner In-Stadtviertel Shoreditch, gleich um die Ecke seines Restaurants «Fifteen». «Am liebsten hänge ich mit Kumpels herum, gehe Fischen oder bin mit dem Geländewagen unterwegs.» Außerdem will Ehefrau Jools nach den Töchtern Poppy Honey und Daisy Boo noch zwei Kinder mehr.
Aber das hindert den Starkoch mit den Strubbelhaaren natürlich nicht daran, neue Business-Pläne zu schmieden. Derzeit bereitet er schon das nächste Kochbuch vor, in dem es um die indische Küche gehen soll. Außerdem laufen die Vorbereitungen für die nächste TV-Serie. Und aus den «Fifteen»-Restaurants, wo regelmäßig 15 gestrauchelte Jugendliche eine Lehrstelle in der Gastronomie bekommen, soll eine richtige Kette werden. Bislang gibt es vier davon: zwei in Großbritannien, eines in Amsterdam und eines in Melbourne.
Auch in Deutschland, wo Oliver schon rund zwei Millionen Bücher verkauft hat, hat er noch einiges vor. Zunächst einmal kommt Anfang nächsten Jahres das neue Buch «Besser Kochen mit Jamie» heraus. Deutsche Rezepte sind darin allerdings Fehlanzeige - bis auf eine Art Schwarzwälder Kirschtorte. «Ich kenne mich mit der deutschen Küche nicht wirklich gut aus», gibt Oliver zu. «Aber ich weiß, dass man zum Beispiel in Bayern und im Schwarzwald ausgezeichnet essen kann.»
Außerdem will Oliver in absehbarer Zeit auch in Berlin ein «Fifteen» eröffnen. Einen festen Termin dafür gibt es noch nicht. Aber allzu lange soll es nicht mehr dauern. Deshalb muss Oliver unbedingt auch noch die Frage loswerden, welcher Teil der Stadt denn früher eigentlich kommunistisch gewesen sei - «Ost oder West?» Aber so wie die Dinge für Jamie Oliver bislang gelaufen sind, wird er auch das bald verinnerlicht haben.