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Energie Greenpeace: Niedersachsen soll Gas-Pläne vor Borkum stoppen

Kommt die umstrittene Gasförderung auf deutscher Seite vor der Nordseeinsel Borkum - oder wird sie noch gekippt? Die Umweltschützer von Greenpeace appellieren jetzt direkt an Ministerpräsident Weil, um bedrohte Riffe als „Oasen der Vielfalt“ zu retten.

Von dpa Aktualisiert: 13.06.2023, 15:07
Ein Plakat gegen die geplante Erdgasförderung.
Ein Plakat gegen die geplante Erdgasförderung. Sina Schuldt/dpa

Hannover - Mit einem neuen Gutachten und einer Protestaktion in der Nordsee macht die Umweltschutzorganisation Greenpeace weiter gegen die geplante Gasförderung vor Borkum mobil. Ministerpräsident Stephan Weil solle den Stopp der Pläne zur Chefsache machen, nachdem Wirtschaftsminister Olaf Lies (beide SPD) bereits klargemacht habe, dass er das Gasprojekt „um jeden Preis“ wolle, forderte Greenpeace am Dienstag in Hannover.

Lies wies diese Darstellung mit Verweis auf das laufende Planfeststellungsverfahren umgehend zurück. „Wenn eine Förderung aus Gesichtspunkten von Umwelt- und Naturschutz nicht vertretbar ist, wird diese auch nicht genehmigt werden“, sagte der Wirtschaftsminister. Umgekehrt gelte aber auch: „Wenn das Verfahren zu dem Ergebnis kommt, dass die Sicherheit gewährleistet ist, wird von unserer Seite eine entsprechende Genehmigung ergehen.“

Umweltminister Christian Meyer betonte, der Schutz der Natur habe höchste Priorität. Für sein Ministerium sei das Vorhaben daher momentan nicht genehmigungsfähig. „Es darf nicht eine Gefährdung der Natur, der Umwelt, der Riffe, aber auch insgesamt des Meeresbodens durch die geplante Gasförderung geben“, sagte der Grünen-Politiker.

Greenpeace stützt sich unter anderem auf ein neues Gutachten, das die Umweltschützer selbst in Auftrag gegeben haben und das auf mehreren Tauchgängen nahe den geplanten Bohrstellen basiert. Diese belegten, dass eine Gasförderung vor Borkum mehrere Steinriffe gefährden würde.

„Das Leben in diesen neu entdeckten Steinriffen darf nicht geopfert werden für dieses bisschen Gas“, sagte Anike Peters von Greenpeace. Sie sprach von „Oasen der Artenvielfalt“, an denen dem Gutachten zufolge 88 verschiedene Arten nachgewiesen wurden. Von diesen 88 Arten seien 17 auf der Roten Liste als gefährdet eingestuft, etwa Weichkorallen oder Hummer.

Das Argument, die Gasförderung könne helfen, die Energieversorgung zu sichern, wies Peters zurück. Frühestens 2024 würde Gas aus den Förderfeldern zur Verfügung stehen und auch dann nicht mehr als ein Prozent des deutschen Gasbedarfs decken. „Echte Energiesicherheit gibt es nur mit sauberen, erneuerbaren Energien“, sagte sie.

Greenpeace will die von den Tauchern untersuchten Gebiete jetzt den Behörden melden, damit die Flächen als Schutzgebiete ausgewiesen werden. Der Forschungstaucher Philipp Schubert von der beteiligten Firma Submaris sagte, die Nordsee sei nur vermeintlich lebensfeindlich. „Wenn man sich warm anzieht und genügend Licht mitnimmt, offenbart sich dort eine geheime Welt“, betonte er. Aus seiner Sicht erfüllten alle untersuchten Flächen die Kriterien für den schützenswerten Lebensraumtyp Riff.

Die Grünen-Landtagsfraktion schloss sich der Forderung von Greenpeace an. „Das geplante Erdgasförderprojekt muss ad acta gelegt werden, denn es gefährdet einen einzigartigen Lebensraum im Wattenmeer“, sagte die Grünen-Umweltpolitikerin Meta Janssen-Kucz. Die CDU erklärte hingegen, fossile Energieträger würden als Übergang hin zur Klimaneutralität weiter benötigt. „Das beinhaltet auch die Förderung von Erdgas in der Nordsee, natürlich unter Einhaltung höchster Umweltstandards“, sagte der CDU-Abgeordnete André Hüttemeyer.

In der Nacht zum Dienstag protestierte Greenpeace auch auf der Nordsee gegen die von der niederländischen Firma One-Dyas geplante Gasförderung. Aktivistinnen und Aktivisten malten von Schlauchbooten aus „No New Gas“ an die Wand einer Bohrplattform rund 35 Kilometer nordwestlich von Borkum. Die Bundespolizei teilte mit, man kenne den Fall. Dieser habe sich aber außerhalb ihrer Zuständigkeit im niederländischen Küstenmeer ereignet.

Bereits Anfang Mai hatte Greenpeace mit einer Besetzung des Landtagsdachs in Hannover gegen die Gas-Pläne demonstriert. Niedersachsens Landespolitik hatte in der Frage zuvor einen Kurswechsel vollzogen: Nachdem die damalige Regierung aus SPD und CDU die Gasförderung vor Borkum noch 2021 strikt abgelehnt hatte, stimmte sie ein Jahr später vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs dafür.