Gekaperte Regierungsmaschine in Köln Gekaperte Regierungsmaschine in Köln: "Er hat Spaß gehabt"

Köln - Der junge Mann wird mit Handschellen in den Gerichtssaal geführt. Er wirkt locker, sehr freundlich. Er lächelt viel. Zu Prozessbeginn vor dem Kölner Landgericht sagt Volkan T. am Donnerstag: „Ich habe mich super erholt. Ich möchte wieder arbeiten.“ Der 25 Jahre alte gebürtige Kölner ist derzeit in der Psychiatrie untergebracht. Fast nackt war er im Juli in eine Regierungsmaschine geklettert, mit der sonst Bundespräsident Joachim Gauck und Kanzlerin Angela Merkel fliegen.
Es war der Abend des 25. Juli: Nach Angaben der Staatsanwaltschaft fand in der benachbarten Kaserne der Flugbereitschaft eine Hochzeitsfeier statt. Volkan T., der Cannabis im Blut hatte, habe der Wache vermittelt, dass er dazugehöre, sagt Staatsanwältin Angela Flierl. Bilder von Überwachungskameras zeigten, wie der junge Mann mit einem Tretroller auf dem Gelände unterwegs war, berichtet Anwalt Karl-Christoph Bode am Rande des Prozesses.
Keine Erinnerungen
„Ich habe viel Stress gehabt“, beschreibt der junge Mann seine Lebenssituation: keine Lehre, den Job aufgegeben und der Leistungsdruck beim Bodybuilding. Er wollte da was werden. Brauchte Geld für die teuren Aufbaustoffe. „Ich weiß, das klingt komisch“, sagt Volkan T.. Was er an jenem Tag gemacht hatte? Keine Erinnerung.
Laut Staatsanwaltschaft hat er an dem Regierungsflieger Dinge getan, zu denen man normalerweise Spezialwissen braucht: Bremsklötze wegnehmen, Abdeckung der Triebwerke entfernen, die richtigen Startknöpfe drücken - ohne Strom ging allerdings nichts. Der war abgeschaltet. Als die Maschine nicht startete, habe er wild andere Knöpfe im Cockpit gedrückt und sämtliche Feuerlöscher aktiviert.
„Er hat Spaß im Cockpit gehabt - offensichtlich“, beschreibt ein Polizist seinen Eindruck von dem nächtlichen Einsatz. „Er hat getippt und gemacht und sah dabei völlig entspannt aus“.
Alles andere als entspannt war die Lage für die Einsatzkräfte: Militärpolizei, Bundespolizei, Feuerwehr und Kölner Polizei. Die Szene mit Lampen taghell erleuchtet. Der damalige Dienstgruppenleiter der Kölner Polizei, Marco Arens, dachte zuerst an Sprengstoff, an einen terroristischen Hintergrund. „Wenn das Flugzeug mit Sprengstoff ausgestattet gewesen wäre, hätten wir schlechte Karten gehabt“, sagt er vor Gericht. Dann fanden sie die Kleidung, die der Eindringling vor der Maschine ausgezogen hatte und den Besucherschein. Die Überprüfung des Personalien habe ergeben, dass der Mann polizeilich ein unbeschriebenes Blatt war.
Der Krisenstab habe sich gegen den Einsatz von Spezialkräften und für Polizeihund Milo entschieden: Eine Treppe wurde an den hinteren Bereich der Maschine geschoben. Acht Leute und ein Hund stiegen hinauf und arbeiteten sich in der Maschine vorsichtig nach vorne.
Im Lounge-Bereich hinter dem Cockpit fanden sie den Angaben zufolge den Unbekannten. Der halbnackte Volkan T. in Boxershorts lag halb auf der Seite auf einer Couch, bedeckt mit einem weißen Morgenmantel, wie der Hundeführer schildert. Der Mann habe mit Stierblick gesagt: „Ich bin das nicht, den sie suchen. Gehen Sie.“ Da der Mann den Aufforderungen der Polizisten nicht nachkam, habe er Milo losgelassen. Der Schäferhund biss den Eindringling in den linken Fuß und den rechten Unterschenkel.
Für seinen Anwalt ist fraglich, ob der 25-Jährige, den die Staatsanwaltschaft als schizophren einschätzt, die Maschine wirklich starten wollte. Wenn die Richter diesem schwersten Tatvorwurf des gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr folgen, dann wäre eine Einweisung in die Psychiatrie wahrscheinlich. (dpa)