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Gastronomie Gastronomie: Wirbel um die Leipziger Lerche

Von Sebastian Döring 20.10.2004, 06:08
Ein Blech voller Leipziger Lerchen, aufgenommen am 08.09.2004 in Markkleeberg bei Leipzig. (Foto: dpa)
Ein Blech voller Leipziger Lerchen, aufgenommen am 08.09.2004 in Markkleeberg bei Leipzig. (Foto: dpa) ZB

Leipzig/dpa. - Seit dem Mittelalter gibt es Aufruhr um dieLeipziger Lerche. Damals war die gerupfte Feldlerche einFesttagsgericht. Tierschützer liefen zunehmend Sturm gegen denqualvollen Fang, der 1876 verboten wurde. Den plötzlichen Einbruchdes europäischen Lerchenhandels wollte ein unbekannter Bäcker - wohlaus Leipzig - auffangen. Er kreierte ein Gebäck, das bis 2003rechtlich nicht geschützt war. Jeder Bäcker konnte unter dem NamenLeipziger Lerche alles Mögliche verkaufen.

Birgit Krätzer wollte mit ihrer Bäckerei diese Lücke nach derWende schließen - auch zum Schutz gegen die «schnellen Geldmacher ausdem Westen» - und ließ sich die Backware schützen. Die BäckerinnungSaxonia legte dagegen Beschwerde vor Gericht ein und bekam dasProduktrecht zugesprochen. Krätzer hat dafür Verständnis. «Da wolleneben alle was vom großen Kuchen abhaben. Immer wenn einer anfängt,dann ziehen die anderen halt nach.»

Bäckermeister Jürgen Kleinert von der Leipziger BäckerinnungSaxonia hält dagegen, dass es ein «Stück Verlust an der über 600Jahre alten Kultur wäre, wenn nur ein Bäcker die Lerche backenwürde». Mit dem gemeinsamen Recht am Produkt könne dieZusammengehörigkeit der Landesinnung dokumentiert werden.

Das Bäckerhandwerk lebe von der kreativen Herstellung derBackwaren, meint Kleinert. Das zeige sich bei der Lerche am Mantelaus Blätter- oder Mürbeteig, an der Verfeinerung der Füllung mitZutaten wie Weinbrand, Zimt und Rum oder am Kern aus verschiedenenFrüchten. Deshalb dürfe die Lerche nie großindustriell gebackenwerden, sagt Kleinert. Der gleichen Meinung ist Krätzer:«Altbundesdeutsche Großbäckereien haben nichts mit der LeipzigerBäckertradition zu tun. Die nehmen das aber genauso in Anspruch wiealle anderen auch.»

Gestritten wird seit Bestehen der süßen Leipziger Lerche auch umdie Herkunft des Traditionsgebäcks. Nach einem Bericht des DDR-Fernsehens hatten die Halloren behauptet, dass die Erfindung nicht -wie im Fernsehbericht erläutert - aus Leipzig sondern aus Hallestamme, erinnert sich Kleinert. Er bezeichnet diese Idee aber als«genauso abwegig wie Vorstellungen, dass der Ursprung der Brezel inMecklenburg-Vorpommern liegt».

Dennoch ist unklar, welcher Leipziger Bäcker die Backware erfundenhat. Selbst in den Büchern der Stadt und im SächsischenWirtschaftsarchiv gibt es dazu keinen Eintrag. Im 19. Jahrhundert seinicht alles gleich schriftlicht festgehalten worden, weiß Katrin Sohlvom Stadtgeschichtlichen Museum.

Touristen bekommen vom Getöse um die Lerche nichts mit. Sie sindlaut Bäckerinnung die Hauptabnehmer der 90 Gramm leichten und knapp1500 Kilojoule schweren Leipziger Spezialität. Regionale Hotels undHotelketten fragten für ihre Gäste immer häufiger nach der Backware.Auch Firmen und Messen bekunden steigendes Interesse. Bei derVermarktung sei aber mehr drin als nur das Warten auf Großaufträge,sagt Kleinert. Unterstützung wünsche er sich daher auch von derStadt. «Es muss ja nicht immer ein Hochglanzprospekt sein.»