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Frankreich Frankreich: Urteile gegen Kinderschänder könnten am Samstag fallen

22.07.2005, 09:04
Gerichtspräsident Eric Marechal (M.) und die Richter nehmen zu Beginn des größten Kinderschänderprozesses der französischen Justizgeschichte im westfranzösischen Angers ihre Plätze ein. (Archivfoto: dpa)
Gerichtspräsident Eric Marechal (M.) und die Richter nehmen zu Beginn des größten Kinderschänderprozesses der französischen Justizgeschichte im westfranzösischen Angers ihre Plätze ein. (Archivfoto: dpa) SIPA

Angers/dpa. - Hinzu kam nach über viereinhalb Monaten Verhandlungen die bittere Erkenntnis, dass bei den 65 Angeklagten kaum etwas von Reue oder Einsicht zu spüren war. Das Martyrium der Kinder im Alter bis zu zwölf Jahren hatte von Januar 1999 bis Februar 2002 gedauert. Das Urteil soll an diesem Samstag oder einem der folgenden Tage verkündet werden.

Bis zuletzt verschanzten sich die Kinderschänder hinter einerMauer des Schweigens, wiesen jede Verantwortung zurück oder sagten, sie könnten sich nicht mehr erinnern. Die Videofilme mit den Aussagen der Kinder wurden zum Teil mit Schulterzucken oder sogar Lachen quittiert. «Ich hasse meine Kinder», gestand ein Angeklagter. «Ich weiß, dass ich das Leben meiner Enkelin zerstört habe», war eines der seltenen Eingeständnisse eines Angeklagten, der sich jahrelang an Sex-Partys beteiligte und seine Enkelin für wenige Euros an Nachbarn und Bekannte «vermietete».

«Diese Männer und Frauen haben den Sinn für Menschlichkeitverloren», zog einer der Anwälte der Kinder, Philippe Cosnard,Bilanz. Ob die Opfer jemals ein normales Leben führen können, ist fraglich. Die Kinder sind nach Einschätzung der Gerichts-Psychiaterseelisch zerstört, haben schwere Schulprobleme, ein perversesVerhältnis zum eigenen Körper und stehen unter Psychopharmaka, umAngstzustände zu beruhigen. Für Prozessbeobachter erschütternd warauch die Tatsache, dass sich Frauen in diesem Kinderschänder-Ringebenso aktiv an den sexuellen Übergriffen beteiligten wie die Männer.Eine dieser Mütter, die 28-jährige Magali, sagte vor Gericht, dasssie als Kind jahrelang vom eigenen Vater vergewaltigt worden war.

Für die Verteidiger der Täter war dies ein Prozess der «sozialenNot, der Pornografie und des Gruppendrucks ohne eindeutige Beweise».In der Tat war das Milieu der Kinderschänder in diesem Randviertelder westfranzösischen Stadt geprägt von Arbeitslosigkeit, Alkohol undschwach entwickelter Intelligenz. Die meisten Täter haben die Spiraleder Gewalt fortgesetzt, die sie selbst erlebt haben. Viele wurden alsKinder von Familienangehörigen sexuell missbraucht. Ihre Verteidigerkonnten nur mit größter Mühe Argumente der Entlastung finden undforderten schließlich «eine möglichst gerechte Strafe».

Die Geschworenen dieses Prozesses tagen seit etwa einer Woche ineiner Schule in der Nähe des Gerichts, wo sie von der Außenweltabgeschnitten sind. Sie müssen über 2000 Fragen über jeden der 65Angeklagten beantworten, die Zwangsprostitution, Vergewaltigung undsexuelle Gewalt betreffen. Die Staatsanwaltschaft hat für drei derAngeklagten lebenslange Haftstrafen gefordert, weil sie diesesNetzwerk der Kinderprostitution organisiert haben.

Insgesamt wurden 672 Jahre Haft gefordert - von sechs Monaten aufBewährung bis zu 30 Jahren für drei Vorbestrafte, die bereits wegenVergewaltigung Minderjähriger im Gefängnis saßen. «Diese Männermüssen für lange Zeit hinter Gitter, weil die Gesellschaft vor ihnengeschützt werden muss», begründete der Staatsanwalt seinen Antrag.