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Frankreich und Belgien Frankreich und Belgien: Der Fall Fourniret nährt Zweifel an der Justiz

Von Hans-Hermann Nikolei 04.07.2004, 12:41

Donchery/dpa. - Der mutmaßliche Serienmörder Michel Fourniret isthinter Gittern und geständig. Doch seine Ergreifung nährt inFrankreich die sowieso starken Zweifel an der Justiz in Europa. Denndie Polizei hatte Fourniret gar nicht im Visier; einige seiner Tatenwaren schon zu den Akten gelegt. Ein schwerer Verdacht drängt sichauf: Viele Bluttaten hätten vermieden werden können, wenn dieBehörden die dem Sexualtäter früh attestierte Gefährlichkeit ernstergenommen und ihr Wissen über die Grenzen ausgetauscht hätten.

Bereits vor Fournirets erstem gestandenen Mord hatten Psychiaterden intelligenten Gelegenheitsarbeiter 1986 als gefährlichenTriebtäter beschrieben. Fourniret habe eine «komplexe Neurose» undsei negativ besessen vom Thema der Jungfräulichkeit, heißt es nacheinem Bericht der Sonntagszeitung «Le Parisien Dimanche» in demGutachten. Schon bald darauf sollte der Neurotiker «Jagd aufJungfrauen» machen.

Das Gutachten gehört zum Verfahren, in dem Fourniret 1987 wegenVergewaltigungen zu sieben Jahren (zwei auf Bewährung) verurteiltwurde. Noch im selben Jahr kam der Triebtäter bei Anrechnung derUntersuchungshaft frei und hat nach eigenen Aussagen mit dem Mordenbegonnen. Während er später in Belgien seine Opfer suchte, bekam erdort sogar zeitweise eine Anstellung als Schulaufsicht. Das nötigepolizeiliche Führungszeugnis fiel positiv aus, weil seineVerurteilung in Frankreich unbekannt war: Es gibt kein europäischesVorstrafenregister.

«Ich will, dass man mir erklärt, warum die französische Justizversagt hat», erklärte Dahina Le Guennan «Le Parisien Dimanche».Dahina war 14 Jahre alt gewesen, als Fourniret sie vergewaltigte.«Michel Fourniret wurde zu lächerlichen Strafen verurteilt, obwohl erWiederholungstäter war.» Vor den Ermittlern habe Fourniret damals 17Sexualstraftaten zugegeben; verurteilt worden sei er wegen fünf.«Einige Mädchen haben ihre Klagen zurückgezogen», sagte sie. DieStaatsanwaltschaft habe die Verbrechen als Vergehen einstufen wollen,doch ihre Mutter habe das verhindert. «Am Ende des Prozesses sagtemeine Mutter, dass er weitermachen würde, sobald er wieder frei ist.Die Justiz hat ihr nicht zugehört», sagte Dahina verbittert.

Doch jetzt ist die französische Regierung aufgeschreckt. Das erstim März geschaffene Register der Sexualtäter reiche nicht aus, sagteJustizminister Dominique Perben dem «Figaro» (Wochenendausgabe). Erbetonte zwar, Fourniret habe seine Strafen abgesessen und wies aufjüngste Skandale wegen ungerechtfertigter langer Untersuchungshafthin. Doch Perben schlug auch vor, «die gefährlichsten Verurteiltenstrikter zu kontrollieren», zum Beispiel mit elektronischenArmbinden.

Dies setzt allerdings voraus, dass die Justiz die Gefährlichkeitdes Täters erkennt. Fourniret wurde vor einem Jahr in Belgienfestgenommen, weil sein letztes Opfer fliehen und ihn identifizierenkonnte. Doch der Fall wäre als Entführung abgeschlossen worden, wennFournirets Frau Monique Olivier nicht am Mittwoch vergangener Wocheder erstaunten Polizei von den Morden ihres Mannes erzählt hätte. Wieschon in den 80er Jahren packte Fourniret im Verhör schnellemotionslos aus. Es hatte ihn nur vorher keiner gefragt.