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Frankreich Frankreich: Pariser Künstlerviertel im Aufwind

Von Hanns-Jochen Kaffsack 09.09.2002, 06:19
Der Montmartre in Paris
Der Montmartre in Paris dpa

Paris/dpa. - Der Montmartre, das malerische «große Dorf» und alteKünstlerviertel auf dem Nordhügel über Paris, feiert ein Comeback. Inden vergangenen Jahren mieden immer mehr Touristen die Gegend rund umSacré-Coeur - der schlechte Ruf des Pariser Lustzentrums an der PlacePigalle als Touristen-Falle strahlte bis weit auf den Montmartre mitseinen steilen Treppen und der Aussicht auf das Häusermeer aus. Dochdann kam eine gute Fee und zauberte ein nostalgisches Montmartre-Bildhervor: Trotz der negativen Nachwehen des 11. September für PariserHotels und Restaurants besorgt der Film über die «Fabelhafte Welt derAmelie» dem Montmartre einen markanten Auftrieb. Nicht allen gefälltder Touristenrummel, zumal er auch die Preise hochschnellen lässt.

«Montmartre, Paris, Frankreich», in dieser Reihenfolge wollenjapanische und amerikanische Besucher jetzt das Land erkunden. Alsder Film von Jean-Pierre Jeunet mit Audrey Tautou im August auf derSquare Willette unter den Kuppeln von Sacré-Coeur auf Riesenleinwandgezeigt wurde, kamen sage und schreibe 6000 Amelie-Fans. 25 Millionenhaben den feenhaften Film, der international «Amelie from Montmartre»heißt, weltweit gesehen. Mit der Ruhe ist es auf dem etwa 100 Meterhohen Hügel im Pariser Norden, der 1860 eingemeindet wurde und sichnoch immer eigentlich «unabhängig» fühlt, jedenfalls vorbei. Denn derMontmartre rund um den Tertre-Platz der Maler und Möchtegern-Künstlerist zu einer - städtisch geförderten - Amelie-Kultstätte geworden.

«Der Film ist ein Traum, und Paris, das ist das wirkliche Leben»,das wissen die jungen Polen Przemek und Jagoda sehr wohl, die sichden poetischen Streifen nahe am Drehort auf Großleinwand zu Gemüteführten. Und alle Fans sind auf den Spuren Audrey Tautous, seitdemein ausgetüftelter «Spaziergang» sie alles aus dem Film nacherlebenlässt: Erst der Gemüseladen «Au Marché de la Butte», dann vorbei ander zuckerweißen Basilika, die Montmartre überragt, hin zu der Placedes Abbesses mit dem Jugendstil-Metro-Eingang von Hector Guimard. Unddann endlich zum urigen Café-Tabac «Les Deux Moulins». Dabei erfahrensie auch, das dieser Amelie-Schauplatz verkauft wurde. Patron ClaudeAbbé setzt sich nun zur Ruhe. Amelie hatte seinen Umsatz verdoppelt.

«Eine bessere Werbung hätte es gar nicht geben können», jubelt dieChefin des Montmartre-Verkehrsvereins, Laure Morandina. Denn währendin Paris insgesamt die Zahl der Touristen nach Jahren der Steigerungetwas rückläufig war, was sich vor allem auch im Louvre-Museum undauf dem Arc de Triomphe bemerkbar machte, ist «la Butte» im Aufwind.

Beileibe nicht alle sehen diesen Ansturm auf ihren Hügel mitFreude. Die etwa 30 000 «Montmartrois» sind bekannt dafür, in allerRuhe und privilegiert die Aussicht auf die lärmige Weltstadt unterihnen genießen zu wollen. Aufgeschreckt sind sie auch, weil cooleCafés die alteingesessenen Krämerläden vertreiben und allgemein dieMieten in die Höhe schnellen. Michel Langlois, Metzgermeister in derAmelie-Straße Rue Lepic, aber auch Präsident der Einzelhändler indieser Ecke, wird das nicht einfach so hinnehmen: «Seit Jahrzehntenkämpfen wir dafür, die Atmosphäre zu erhalten, wie Jacques Prévertsie in seinen Gedichten beschrieben hat.» So hat selbst das Wirkeneiner Fee zwei Seiten. Auch Amelie kann es nicht allen recht machen.