Flugpionier Flugpionier: Charles Lindbergh führte ein doppeltes Doppelleben

München/dpa. - Glaubtman dem Münchner Autor Rudolf Schröck, haben sie eine weit größereFamilie als bisher angenommen - die Frauen flogen offenbar nur so aufden berühmten Flieger.
«Das Doppelleben des Charles Lindbergh in Deutschland und derSchweiz führte zur Gründung von drei heimlichen Familien mit siebenunehelichen Kindern», schreibt der Journalist in seinem Buch «DasDoppelleben des Charles A. Lindbergh» (Heyne), das Anfang Juni aufden Markt kommt. Grundlage dafür waren unter anderem Interviews mitden Kindern der Münchner Hutmacherin Hesshaimer, die sich alledurchweg positiv über ihren Vater äußern. Sie fungierten als Co-Autoren des Buches und gewährten Schröck Zugang zum Familienarchivsowie zu 400 Seiten heimlicher Korrespondenz zwischen Lindbergh undihrer Mutter.
Daraus ging laut Schröck hervor: «Lindbergh hatte neben seinerLiaison mit der Münchner Hutmacherin gleichzeitig noch zwei weitereLiebesverhältnisse - mit Brigittes Schwester Marietta und mit seinerdeutschen Privatsekretärin Valeska, die altem preußischem Adelentstammte.» Beide hielten sich aber bis heute hartnäckig anLindberghs Schweigegebot - so wie es auch die 2001 gestorbeneBrigitte Hesshaimer zu Lebzeiten getan hatte. Die Affären bliebennicht ohne Folgen: Außer den drei Kindern mit Brigitte hatteLindbergh laut Schröck je zwei weitere mit deren Schwester Mariettain der Schweiz und mit Valeska.
Eine Beziehung zu viert sei es gewesen, über deren genaue Detailsnur Lindbergh Bescheid wusste: «Er war der Mann zwischen dreiGeliebten - und einer Ehefrau». Lindbergh (1902-1974), der 1927 alserster Mensch im Alleinflug den Atlantik überquert hatte, war inseiner Heimat mit der Schriftstellerin Anne Morrow verheiratet. Beidegalten als Traumpaar und hatten gemeinsam sechs Kinder, von deneneines im Babyalter entführt und getötet worden war.
Mitte der 50er Jahre war die Musterehe aber nur noch «eineoffiziöse Vorzeigeveranstaltung, in Deutschland wollte Lindberghjetzt sein Alter Ego aufbauen und durchsetzen», heißt es in dem Buch.Die drei Frauen und Lindbergh hätten zeitweise sogar gemeinsam indessen Wohnung in Rom gewohnt. Die habe der zur Legende verklärteFlieger in seiner Eigenschaft als Berater von US-Präsident Dwight D.Eisenhower «als europäische Operationsbasis» angemietet.
Lindberghs nachrichtendienstliche Arbeit begünstigte seinDoppelleben. Seiner Geliebten habe er gestanden, in strengvertraulichen «militärischen Missionen» unterwegs zu sein. Schröckfand heraus, dass Lindbergh drei Tage nach Ende des ZweitenWeltkriegs bereits im Geheimauftrag von US-Regierung und -Militärnach Deutschland unterwegs war. Dort erforschte er denEntwicklungsstand der deutschen Luftfahrt- und Raketenforschung undspürte deutsche Spitzentechniker auf.
Nach der Rückkehr war er an geheimen Waffenentwicklungsprogrammenbeteiligt, lotete rund um die Welt US-Bomber-Stützpunkte aus, war ander US-Luftbrücke für das eingeschlossene Berlin beteiligt und berietdie Fluggesellschaft Pan Am. Schröck: «Eine bessere Tarnung gab es inder Tat nicht: Er kam nach London, Paris, Istanbul, Teheran oderTokio als Repräsentant und Direktor von Pan Am, aber er kam immerauch als Consultant des amerikanischen Militärs und der US-Regierung.Er war kein Agent, aber er führte das Leben eines Agenten.»
Lindbergh, der nach seinem historischen Soloflug über den Atlantikzum Medienstar wider Willen geworden war, hatte spätestens nach derEntführung seines Sohnes sowie einer Hetzkampagne gegen ihn eingespaltenes Verhältnis zur Presse. Seit Mitte der 40er Jahre mied erkonsequent die Öffentlichkeit. Schröck: «Lindbergh war zum perfektenSchattenmann geworden: Weltweit präsent, aber unsichtbar. SeineKonditionen bei US-Regierung, Air Force und Pan Am waren identisch:Er konnte zu jeder Tages- und Nachtzeit jedes amerikanische Flugzeugbesteigen und zu jedem Punkt der Erde fliegen - in der ersten Klasseund immer ohne Bezahlung», schreibt der Autor, der zuvor mitBiografien über Willy Brandt und Franz-Josef Strauß bekannt wurde.
Rudolf Schröck: Das Doppelleben des Charles A. Lindbergh
Heyne Verlag, München; 368 S., Euro 19,90; ISBN 3-453-12010-8