Flughafen London-Heathrow Flughafen London-Heathrow: 150 Passagiere entgehen knapp einer Katastrophe

London/dpa. - Eine der Tragflächen, in denen die Flugbenzintanks untergebracht sind, wurde vom Fahrwerk durchbohrt. Dennoch blieb eine Explosion aus.
Rund 20 Insassen des Großraum-Jets, unter ihnen mindestens vierMitglieder der Kabinencrew, wurden verletzt. Wie durch ein Wunderjedoch nur leicht. «Wir hatten enormes Glück im Unglück», erklärtenInsassen des Großraumflugzeugs. Nach Angaben des Senders BBC unterBerufung auf Flughafenmitarbeiter hatte der Pilot kurz vor derBruchlandung einen Ausfall der Stromversorgung für die Flugelektronikim Cockpit gemeldet. British Airways (BA) wollte dazu nicht Stellungnehmen. Es sei eine Untersuchung durch die britische Luftfahrtbehördeeingeleitet worden, deren Ergebnis abzuwarten sei, erklärte BA-ChefWillie Walsh.
Die Reisenden hatten einen elfstündigen Flug aus Peking hintersich, als ihre Maschine beim Landeanflug plötzlich nach linksabsackte und dann weit über die südliche Landebahn von Heathrow aufGrasboden entlang schoss. «Das Flugzeug sackte weg, dann kam eswieder in die Gerade», schilderte der Augenzeuge Neil Jones. «DerPilot schien zu kämpfen, um sie irgendwie gerade zu halten.»
Das Flugzeug sei bereits unmittelbar hinter dem Zaun desLandebereichs aufgesetzt, berichtete die BBC. Die Maschine sei dannausgebrochen und schließlich bei ungewöhnlich lautem Heulen eines derbeiden Triebwerke zum Stehen gekommen. Kurz zuvor waren beideFahrwerke abgebrochen. Eines wurde abgerissen und blieb auf derGrasfläche neben der Start- und Landebahn liegen. Die Radhalterungauf der linken Seite durchbrach unmittelbar am Rumpf die Tragfläche.
Die Evakuierung des Flugzeugs sei «wie im Lehrbuch» verlaufen,schilderten Zeugen. «Es gab keine Panik, alle Leute blieben zunächstsitzen, die Mannschaft war bestens vorbereitet, und es ging allessehr, sehr schnell», schilderte der Passagier Fernando PradoReportern. «Wir hatten natürlich großes Glück. Es ist, als habe ichin der Lotterie gewonnen.»
Unmittelbar nach dem Stillstand der Boeing kurz vor 13.00 UhrOrtszeit (14.00 Uhr MEZ) konnten alle Insassen über die vierRettungsrutschen das Flugzeug verlassen. BA-Chef Walsh dankte derBesatzung für ihren professionellen Einsatz, der maßgeblich zurRettung aller Passagiere beigetragen habe. Er verwies darauf, dassder Kapitän auf dem Flug BA 038 «einer unserer erfahrensten Pilotenmit fast 20 Dienstjahren» sei. Er dankte auch der Flughafen-Feuerwehr, die sofort zur Stelle war und den Jet mit feuerhemmendemSchaum einsprühte.
Der Aufprall des Flugzeugs auf dem Boden sei sehr hart gewesen,berichteten Insassen. «Alle Umstände machen klar, dass es eine echteBruchlandung war», sagte Luftfahrtexperte Sean Maffet dem Sender BBC.Zuvor hatte British Airways noch von einer «Notlandung» gesprochen.Als solche sehen Experten eine Landung nur dann an, wenn sie miteiner Vorwarnung erfolgt und die Passagiere entsprechend daraufeingestellt sind. Die Passagiere seien jedoch «nicht gewarnt worden»,berichtete die BBC.
Während viele Passagiere in Angst um ihr Leben ins Freie drängten,saß unweit der Unglücksmaschine der britische Premierminister GordonBrown in der Ersten Klasse eines anderen Flugzeugs und wartete aufdessen Start. Zusammen mit einer Delegation britischer Geschäftsleutewollte er ausgerechnet dorthin fliegen, wo die Bruchlandungs-Boeingherkam: nach Peking. Browns Abflug verzögerte sich - wie die Startsvieler anderer Maschinen auch - um mehrere Stunden. Zur Beruhigungauch des Premierministers konnte die Polizei rasch jeden Verdacht aufeinen Terroranschlag in der landenden Maschine ausräumen.
Fachleute sagten dem Sender BBC, Fehler der Besatzung seien nahezuauszuschließen. Die Crew habe unter den gegeben Umständen«vorbildlich» gehandelt. Sehr vieles - darunter das von Zeugenbeschriebene plötzliche seitliche Absacken der Maschine deute aufeinen Triebwerkschaden hin. Die Boeing 777 - der Flugzeugtyp ist seit1994 im Einsatz - gilt als eines der sichersten Flugzeuge der Welt.Bislang ist keine Maschine dieses Typs abgestürzt.
Nach der Bruchlandung kam es in Heathrow zu erheblichenVerspätungen mit chaotischen Verhältnissen, da die südliche Landebahnvollkommen geschlossen wurde. Tausende Passagiere wurden langeaufgehalten oder konnten ihre Reise gar nicht antreten. Mehr als 200Flüge wurden gestrichen. Zahlreiche Flüge nach Heathrow wurden zu denFlughäfen Stansted und Luton im Norden Londons umgeleitet.