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Flüge erschlichen Flüge erschlichen: Frau gab sich nach Germanwings-Absturz als Cousine eines Opfers aus

22.10.2016, 07:57
Inmitten von Blumen steht eine steinerne Gedenkstele mit der Aufschrift „In Erinnerung an die Opfer des Flugzeugunglücks vom 24. März 2015“ in Le Vernet.
Inmitten von Blumen steht eine steinerne Gedenkstele mit der Aufschrift „In Erinnerung an die Opfer des Flugzeugunglücks vom 24. März 2015“ in Le Vernet. dpa

Köln - Die Trauer schien übermächtig, in jeder Geste, jedem Blick tiefer Schmerz und Verzweiflung: Die Frau, die sich als angebliche Cousine einer Lehrerin des Halterner Gymnasiums gleich zweimal Flüge in die Absturz-Region in die französischen Alpen erschlichen hat, muss sich am kommenden Mittwoch vor dem Amtsgericht Köln wegen Betrugs verantworten.

Die vorgetäuschte Trauer für die kostenlosen Südfrankreich-Flüge, Hotelunterkunft und Verpflegung beziffert die Anklage mit rund 16 000 Euro. Bei dem Unglück am 24. März 2015 waren 150 Menschen ums Leben gekommen, darunter 16 Schüler und zwei Lehrerinnen des Haltener Gymnasiums. Der Pilot, der die Germanwings- Maschine absichtlich in den Abgrund steuerte, litt an Depressionen.

Die 35-jährige Angeklagte, Mutter zweier Kinder, hatte die Ausnahmesituation ausgenutzt, in der die Fluggesellschaft Angehörige möglichst schnell und unbürokratisch ohne detaillierte Personalienprüfung zum Unglücksort bei Seyne-les-Alpes und zur Gedenkstätte in Le Vernet gebracht hatte. Am 28. März, nur vier Tage nach der Katastrophe, war die Frau ab Frankfurt in Begleitung eines Mannes in der Business Class nach Südfrankreich geflogen.

Am 3. April sprach sie erneut bei der Fluggesellschaft vor. Diesmal wurde sie in Begleitung ihrer beiden Kinder und eines ebenfalls ahnungslosen Begleiters in die Alpen geflogen und blieb dort fünf Tage bis zum 8. April. Mitarbeitern des Kriseninterventionsmanagements kam die Frau „in ihrer Trauer völlig glaubwürdig“ vor. Mehrfach war sie am Unglücksort weinend zusammengebrochen.

Bei der zweiten Anreise hatte sie immerhin Zeit gefunden, in Südfrankreich einkaufen zu gehen. Über die Begleitumstände und die Motivlage der bisher nicht vorbestraften Frau kann man nur spekulieren. Möglicherweise gibt es psychiatrische Gründe. Im Ermittlungsverfahren jedenfalls hat die Mutter zweier Kinder im Teenageralter keine Angaben gemacht.

Der Schwindel flog auf, weil sie am Unglücksort den trauernden Angehörigen eine Tätowierung zeigte: Auf ihren Nacken hatte sich die Frau aus Beverungen (Kreis Höxter) ein Bekenntnis ihrer Trauer stechen lassen – mit Datum, Uhrzeit, Flugnummer und den Koordinaten der Absturzstelle. Und mit dem Namen „Anke“, dem Vornamen ihrer angeblich beim Absturz umgekommenen Cousine. Die hieß offenbar aber nicht Anke, daraufhin stutzten tatsächliche Angehörige der Toten und informierten die Fluggesellschaft.

Die Lufthansa als Muttergesellschaft von Germanwings hatte daraufhin die Frau wegen Betrugs angezeigt. Der Prozess findet in Köln statt, weil Germanwings hier seinen Sitz hat. Für die Verhandlung sind fünf Zeugen geladen – darunter die beiden Begleiter der Angeklagten, die sie erst kurz zuvor in einem Trauer-Forum kennengelernt hatte.