Fernsehen Fernsehen: «Tschüs und winke-winke»
Berlin/dpa. - Nach der Wende war der «Kulenkampff des Ostens» zwar weitgehendvon den Bildschirmen, nicht aber aus den Herzen vieler Menschenverschwunden. Für Quermann hatte das «Leben unter Dauerstress» stetsetwas Positives. «Da merkt man gar nicht, wie man alt wird»,sinnierte er vor seinem 80. Geburtstag. Auch wenn ihn seine Krankheitzunehmend ans Haus fesselte, unterkriegen ließ er sich nie.
Mit seinen Ideen steigerte der erfindungsreiche Showmaster dieEinschaltquoten von Fernsehen und Rundfunk in der DDR gewaltig.Quermann wäre Weltrekordler einer Hit-Parade der Quiz- undUnterhaltungsshows, würde denn ein solcher Titel vergeben. «Längerals lebenslänglich», frotzelte er über die Laufzeit der DDR-«Schlagerrevue». Genau 1731 Mal moderierte er die Sendung, mit denener «geschmacksbildend» Einfluss auf ganze Generationen nahm.
Alles in allem bestritt der «kleine runde Mann mit der großenSchnauze» über 2500 Sendungen. Er war der Erfinder der erstenRundfunk-Live-Sendung «Da lacht der Bär» aus dem alten, inzwischenabgerissenen Berliner Friedrichstadtpalast. Noch ehe sich eineSendung totlief, hatte er eine neue Kreation parat. Als Sprungbrettfür die einheimischen Pop- und Rockgrößen erfand er beispielsweise«Herzklopfen kostenlos». Frank Schöbel, Dagmar Frederic oder PetraKusch-Lück, selbst Helga Hahnemann waren «Kinder des Talente-Vaters».Die junge Nina Hagen hatte bei ihm als «zu verrückt» allerdings keineChance.
Mit dem Aus des DDR-Fernsehens 1991 endete die Karriere deserfolgsgewohnten Entertainers. Die 35. Ausgabe seinerWeihnachtssendung «Zwischen Frühstück und Gänsebraten» war seineletzte große Show. Im ORB und MDR plauderte er gelegentlich aus demNähkästchen. Dass für ihn noch nicht Schluss war, bewies erunter anderem bei «Gänsebraten»-Tourneen um die Weihnachtszeit durchmehr als ein Dutzend ostdeutsche Städte.
Der am 10. Februar 1921 in Hannover geborene Quermann stammt auseiner Bäckermeisterfamilie. Neben der Arbeit in der Backstube nahm erregelmäßig Geigen- und Schauspielunterricht. Sein Talent zur Komikfiel früh auf, was seinen Theaterchef jedoch nicht daran hinderte,ihn in einer «Faust»-Inszenierung einzusetzen. Die Sowjetsbeförderten ihn nach dem Krieg in Köthen (Sachsen-Anhalt) zumTheaterintendanten. Über ein Zwischenspiel beim Leipziger Rundfunklandete er Anfang der 50er Jahre in Berlin.
Quermann hatte die Nase stets vorn. Sein Buch «Ihr Heinz, derQuermann. Meine bunten Erinnerungen» war Anfang der 90er Jahre dieerste Biografie eines DDR-Stars, in dem Klatsch und Tratsch nichtfehlten. Der liebenswerte «Dicke» konnte sich vor Einladungen zuLesungen gar nicht retten. «Wenn ich bloß das Vorwort lese, lachenschon alle», sagte er einmal.
Quermann über sich selbst: «Ich habe mich des öfteren quer gelegt,lag gelegentlich auch schief, aber ich wusste trotzdem immer wo eslang ging.» Als bei einem Auftritt von Freddy Quinn im Ost-Fernsehendas Publikum lauthals mitsang «Junge komm bald wieder» soll Stasi-Minister Mielke Quermann als «A...loch» beschimpft haben. Mehr aberpassierte nicht.