Ewiges Eis Ewiges Eis: Der verschollene Retter
Halle/MZ. - Auf der Suche nach dem Italiener Umberto Nobile, mit dem er als erster den Nordpol erreichte, war er am 18. Juni 1928 mit einem französischen Flugzeug aufgebrochen.
Roald Amundsen sollte nie zurück kommen, weder die Mannschaft noch das Flugzeug wurden je gefunden. Am 24. August 2009 startete jetzt die norwegische Marine und Küstenwache eine Suchaktion mit zwei Schiffen und einem Unterwasserfahrzeug, um das Flugzeugwrack zu finden und so das Schicksal des norwegischen Nationalhelden endlich zu klären.
Auch zum Helden der Nation wurde der am 16. Juli 1872 im heutigen Fredrikstad geborene Roald Amundsen nicht im Süden, sondern im Hohen Norden. Nach drei harten Wintern in Eis und Schnee hatte er zwischen 1903 und 1906 als erster Mensch die Nordwestpassage komplett durchfahren. Für die Wirtschaft wurde diese Seeverbindung vom Atlantik zum Pazifik im Norden von Kanada und Alaska zwar nie interessant. Aber kurz vor seiner Rückkehr hatte Norwegen sich nach einer Volksabstimmung friedlich von Schweden abgespalten. Da kam der hervorragende Kapitän als Identifikationsfigur der jungen Nation gerade recht.
Sich auf seinen Lorbeeren ausruhen aber war nicht die Sache von Roald Amundsen, er wollte endlich seinen Jugendtraum erfüllen und als erster Mensch am Nordpol stehen. Als dann die US-Amerikaner Robert Peary und Frederick Cook 1909 behaupteten, sie wären schon dort gewesen, war der Norweger geschockt. Für die abgeschlossene Vorbereitung seiner eigenen Nordpol-Expedition hatte er erhebliche Schulden gemacht, die er nur mit einem Aufsehen erregenden Erfolg zurück zahlen konnte. Zweiter oder gar Dritter am Nordpol würde dafür wohl nicht reichen.
Und doch brach er am 9. August 1910 mit dem Schiff "Fram", 97 grönländischen Schlittenhunden, einem Kanarienvogel, einem Grammophon, und Proviant für zwei Jahre von Norwegen mit dem offiziellen Ziel Nordpol auf. Das war jedoch ein Täuschung, Roald Amundsen wollte tatsächlich zum Südpol, zu dem bereits sein britischer Konkurrent Robert Falcon Scott unterwegs war. Am 2. Oktober 1910 informierte sein Bruder Leon die Presse vom wahren Ziel und eröffnete damit den vielleicht dramatischsten Wettlauf der Weltgeschichte. Der Norweger aber hatte die Expedition sehr gründlich vorbereitet und hatte daher die besseren Karten: Schon vor dem Winter hatte er im Februar 1911 zum Beispiel auf der Strecke zum Pol Vorratsdepots angelegt.
Nach einem langen Winter brach Roald Amundsen dann am 20. Oktober 1911 mit vier Begleitern, mehr als 50 Hunden und vier Schlitten auf Skiern auf. Über den 3 180 Meter hohen Axel Heiberg Gletscher erreichten sie Anfang Dezember die Antarktische Hochebene mit einem der schwierigsten Gletschergebiete der Welt. "Wir taufen sie ,des Teufels Ballsaal'", schlug Amundsen vor.
Unter einer dünnen Schneeschicht verbargen sich zahllose gefährliche Gletscherspalten, die sie nur mit viel Glück und noch mehr Können ohne tödlichen Sturz passierten. Am 14. Dezember 1911 standen sie dann 3 000 Meter über dem Meeresspiegel am Südpol, dessen Eis sich in keinem noch so kleinen Detail von der Umgebung unterschied. Die Briten fanden 35 Tage später dort die norwegische Fahne, den Rückweg überlebten die Verlierer nicht.
Roald Amundsen aber war auf dem besten Weg, doch noch sein eigentliches Ziel Nordpol zu erreichen: Am 11. Juni 1914 erhielt er den ersten Flugschein, der in Norwegen ausgestellt wurde, er wollte den Pol aus der Luft erreichen. Zwei Monate später aber begrub der Ausbruch des Ersten Weltkriegs die Flugpläne unter sich, jetzt sollte es eine klassische Schiffsexpedition werden. Am 16. Juni 1918 lief die eigens dafür gebaute "Maud" dann endlich vom nordnorwegischen Tromsø aus. Unmengen von Treibeis blockierten den Weg zum Pol. Roald Amundsen musste an der Küste Nordsibiriens überwintern.
Damit aber begann seine Pechsträhne erst so richtig. Ende September zog er sich bei einem Sturz einen Splitterbruch der Schulter zu, am 8. November endete die überraschende Begegnung mit einem Eisbären mit tiefen Rückenwunden und am 10. Dezember trug er durch eine Kohlenmonoxid-Vergiftung bleibende Schäden am Herzen davon. Die geplante Schlitten-Expedition zum Nordpol musste daher zu den Akten gelegt werden. 1925 startete Roald Amundsen dann seinen nächsten Anlauf zum Nordpol, diesmal mit zwei Flugbooten. Keine 250 Kilometer vom Pol entfernt musste die sechsköpfige Expedition auf dem Packeis notlanden, eines der Flugzeuge wurde dabei zerstört. Erneut war Roald Amundsen nicht nur gescheitert, sondern auch in akuter Gefahr: In drei Wochen schaufelten die Männer mehr als 600 Tonnen Schnee und Eis zur Seite, um eine Startbahn zu improvisieren.
Danach kaufte Roald Amundsen von der italienischen Regierung das Luftschiff N1, taufte es auf den Namen "Norge" (deutsch: "Norwegen") um und startete am 11. Mai 1926 endlich von Spitzbergen aus zum Pol. Kapitän war der Konstrukteur der Schiffes, der Italiener Umberto Nobile. Diesmal klappte endlich alles, am 12. Mai 1926 überflog die Norge nach 16 Stunden und 40 Minuten Fahrt den Nordpol, den Amundsen damit tatsächlich als erster zumindest überflogen hatte: Die Amerikaner konnten den Pol 1909 nämlich gar nicht erreicht haben, ergab später eine Analyse ihrer Angaben. Jetzt aber machte Umberto Nobile dem Norweger den Ruhm streitig, ein bitterer Dialog entstand.
Dennoch machte sich Amundsen am 18. Juni 1928 auf, um den einstigen Freund und jetzigen Kontrahenten zu suchen, der bei einer weiteren Luftschiff-Expedition zum Nordpol verunglückt war. Der Italiener konnte gerettet werden, das Flugzeug des Norwegers aber verschwand bei der Bäreninsel. Genau dort will jetzt die Suchexpedtion das Schicksal des Nationalhelden Norwegens endgültig klären.