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Evangelische Kirche Evangelische Kirche: Streit um Homosexuelle im Pfarrhaus

Von Theresa Münch 16.01.2011, 08:55

Erfurt/Hannover/dpa. - Mit der Homosexualität haben sich diegroßen Kirchen immer schwergetan. Weil sich Lesben und Schwuleinzwischen öfter outen, müssen sie jetzt aber Position beziehen. DieEvangelische Kirche in Deutschland (EKD) wagt den Vorstoß:Homosexuelle Paare sollen in den Dienstwohnungen offiziellzusammenleben dürfen.«Das ist bei uns seit Jahren gelebte Praxis»,sagen die Landeskirchen in Mitteldeutschland und im Rheinland. AchtAltbischöfe dagegen nehmen die Bibel wörtlich: Homosexualität werdein der Heiligen Schrift als widernatürlich bezeichnet und gehörenicht ins Pfarrhaus.

Nach zähem Ringen hatte sich die EKD-Synode im November zu einemgemeinsamen Entwurf des Pfarrdienstgesetzes für alle Landeskirchengeeinigt. Stein des Anstoßes ist nun Paragraf 39 zum Thema «Ehe undFamilie», der bewusst offen gehalten ist und das Zusammenleben vonHomosexuellen nicht ausschließt. Jede der 22 Landeskirchen könneihn anwenden, wie sie wolle, sagt EKD-Sprecher Reinhard Mawick. InThüringen, Sachsen-Anhalt und Bayern sind evangelische Pfarrhäuserfür schwule und lesbische Paare seitdem nicht länger tabu.

In der Kirchenprovinz Mitteldeutschland schreibe die neueRichtlinie nur eine gängige Praxis fest, sagt Landesbischöfin IlseJunkermann. In Sachsen hatte es schon 1968 den ersten schwulenPfarrer gegeben. Dass es mit den Gemeinden deshalb Probleme gebe, seinicht bekannt, sagt die Bischöfin. Auch in rheinischen und hessischenPfarrhäusern wohnen schwule und lesbische Paare längst zusammen.

Anders sieht es aus im konservativeren Südwesten: DieLandeskirchen in Württemberg und Baden haben homosexuellen Paaren denEinzug ins Pfarrhaus vor Jahren verboten. Jetzt stehen erneut heftigeDebatten ins Haus. Der Initiativkreis Evangelisches Kirchenprofilschreibt in einem Brief: «Wer die theologische Kritik an derHomosexualität aufhebt, bringt Ehe und Familie in Gefahr».

Aus Württemberg kommen auch zwei der Altbischöfe, die sich miteinem offenen Brief scharf gegen den EKD-Vorstoß aussprechen. EinigeLandeskirchen gäben die Orientierung an der Bibel auf, lautet derVorwurf. Denn hier werde Homosexualität als «widernatürlicheLebensweise» bezeichnet. Der Ausschluss von Homosexuellen aus demPfarrdienst bedeute keineswegs, dass ihnen die Menschenwürdeabgesprochen werde.

Das sei alles eine Frage der Bibelinterpretation, gibt Junkermannzu. EKD-Personaldezernent Christian Frühwald bezeichnete die Reaktionder Bischöfe auf der Internetseite evangelisch.de als nichtzeitgemäß. Der historische Kontext der Bibel müsse angesichts desverantwortlichen Handelns homosexueller Christen heute andersgedeutet werden. Auch der Hamburger Propst Horst Gorski zeigt keinVerständnis. Der Protest sei nur ein letztes Aufbäumen einer kleinenMinderheit, sagte er in der «Tageszeitung».

Doch die Altbischöfe sind nicht die einzigen Kritiker. Auch inBayern löste der Beschluss der Landeskirche eine Protestwelle aus.Mehrere Mitglieder kündigten Kirchenaustritte an. Der Sprecher derLandeskirche, Johannes Minkus, sagt allerdings, von Austrittenaufgrund des Beschlusses wisse er nichts. «Wenn, dann sind dasEinzelfälle.» In den 1540 bayerischen Kirchengemeinden kenne er fünfhomosexuelle Paare, die aber alle nicht in einer Dienstwohnunglebten. «Das wird sich erst realisieren, wenn ein Pfarrer neu in eineGemeinde zieht.»

Doch gerade damit machen es selbst die liberaleren Landeskirchenden Homosexuellen nicht leicht: Ohne Zustimmung desGemeindekirchenrats darf kein homosexueller Pfarrer eine Stelleantreten und mit seinem Partner zusammenleben. «Die Leitlinie ist:Kommt die Gemeinde damit klar?», sagt Mawick. Wenn die Leute keinehomosexuellen Pfarrer wollten, würden die Geistlichen versetzt.Schwule und Lesben im Pfarrdienst sollten sich outen und dieVorgesetzten informieren, wenn sie mit dem Partner zusammenziehenwollten. «Im Pfarrberuf ist das Privatleben eben nicht totalePrivatsache.»