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Erinnerungen Erinnerungen: Ein Land im kollektiven Schock - So erlebte ich den Tod von Lady Di

Von Lioba Lepping 31.08.2017, 05:32
Prinz William, Prinz Harry und Prinz Charles bei der Trauerfeier von Prinzessin Diana
Prinz William, Prinz Harry und Prinz Charles bei der Trauerfeier von Prinzessin Diana RTR/WPA POOL

Im August 1997 lebte ich in England. Schon seit einem Jahr, Dianas letztem Lebensjahr. Ich hatte ein Jahr als pädagogische Hilfskraft an einer englischen Gesamtschule im Speckgürtel Londons verbracht, wo ich mit mäßigem Erfolg versuchte, den Schülern Deutsch beizubringen. Immerhin hatte ich selbst viel gelernt.

Mein Englisch verbessert, das Land ausgiebig bereist, meine Billard- und Darts-Fähigkeiten entdeckt und dabei meinen irischen Freund kennengelernt. 1997 war das Jahr von Rinderwahnsinn – die Briten forderten trotzig: Buy British Beef (kauft Britisches Rindfleisch) – und des Duells der Britpop-Bands Blur und Oasis. Robbie Williams hatte sich von „Take That“ getrennt, Tony Blair New Labour zum Sieg über die Torys geführt. Im Land Britannien roch es nach Aufbruch.

Der 31. August 1997 war ein Sonntag. Das Wochenende verbrachte ich in Birmingham, den Sonntagvormittag im Bett, der Abend vorher war lang geworden. Von unten tönten Worte aus dem Radio oder Fernsehen nach oben. Zunächst hörte ich nicht hin, schwebte zwischen Schlaf und Wachen im Niemandsland. Dann wurden aus den Worten allmählich unterscheidbare Sätze. Und Namen, die tagtäglich in den Medien präsent waren, setzten sich in meinem Ohr fest. „Diana and Dodi died in a car crash in Paris“– Diana und Dodi starben bei einem Autounfall. Der Fahrer und Dodi waren sofort tot, Diana starb auf dem Weg ins Krankenhaus. Nur ihr Leibwächter Trevor Rees-Jones überlebte schwer verletzt. Der Unfall hatte sich in der vergangenen Nacht ereignet, als ich mit der irischen Community, in die ich hineingeraten war, fröhlich gezecht hatte.

Konstanten im Alltag – auch in meinem

Benommen wankte ich nach unten, um herauszufinden, ob ich mich nicht doch verhört hatte, oder der britische Humor gerade eine unappetitliche Kapriole schlug. Denn was ich da gehört hatte, war doch schlicht unmöglich. Unmöglich, weil ich doch ein Jahr lang ständig die neusten News über Diana und Dodi miterlebt hatte, quasi hautnah. Sie waren die Konstanten im Alltag, auch in meinem, die strahlendsten Sterne am Boulevard-Himmel, ein gefundenes Fressen für die Medien – und das dankbare Publikum. Sie gehörten zu meinem Leben, zu unser aller Leben. Tatsächlich erinnere ich mich an keine Prominente, die dermaßen unentwegt wie Diana von Fotografen verfolgt wurde. Jedes neue Detail der unglaublichen Lovestory zwischen der ehemaligen Prinzessin und dem schwerreichen ägyptischen Kaufhauserben Dodi al Fayed wurde genüsslich durchgekaut. Und mit von wahren Paparazzi-Heeren ergaunerten Bildern illustriert.

Vor 20 Jahren gab es noch kein Internet, der Voyeurismus der Masse wurde allein durch TV und Zeitungen bedient. Heute in Zeiten von Instagram, Facebook und dem normal gewordenen Hang zur Selbstdarstellung auch Prominenter, die schon freiwillig allerhand preisgeben, ist diese Form gnadenloser Presseverfolgung kaum noch vorstellbar. War Diana schon während ihrer Ehe und nach ihrer Scheidung von Charles ein beliebtes Motiv, sprengte ihre Anziehungskraft für die Medien dank der Liebschaft mit Dodi noch einmal alle Grenzen des bisher Dagewesenen.

Unvergessen bleibt auch die Anklage ihres Bruders Charles Spencer, der den Medien die Schuld am Tod seiner Schwester gab. In der Presse war dann reuig die Rede von „Jagdszenen“. Nach Dianas Tod wurde schließlich ein Waffenstillstand zwischen Presse und königlicher Familie vereinbart, der den Prinzen ein halbwegs unbehelligtes Aufwachsen ermöglichen sollte.

Doch zuvor, im Sommer 1997 hatte der Hype um Diana und ihren Neuen den Höhepunkt erreicht. Nach der verunglückten Ehe mit dem treulosen Thronfolger schickte Diana sich an, das Schicksal einer Jackie Kennedy nachzuleben, die sich in die Arme des reichen Reeders Onassis rettete. Nebenbei machte Diana immer wieder von sich reden, etwa indem sie in Afrika durch Minenfelder stapfte, um so auf die Gefahr der vergessenen Sprengfallen aufmerksam zu machen. Eines ihrer Herzensprojekte.

Während die Spice Girls in England mit Girl Power Karriere machten, nutzte Diana ihre mädchenhafte Macht auf ganz eigene Weise. Noch während der unglücklichen Ehe mit Charles inszenierte sie sich als rehäugiges Opfer. Ihre Art, den Kopf schief zu legen und unschuldig von unten nach oben zu blicken, wurde ihr Markenzeichen. Unermüdlich tat sie ihr karitatives Werk, besonders Kinder lagen ihr am Herzen. Als Mutter von William und Harry strahlte sie Herzenswärme und jugendlichen Übermut aus. Am Tag nach der Nachricht von Dianas Tod erschien die Sun, eins der auflagenstärksten britischen Boulevard-Blätter mit schwarzem statt mit ihrem charakteristischen roten Balken auf dem Titelblatt. Ich habe das Exemplar lange aufbewahrt.

Diana war 36 Jahre alt als sie starb. Ein ganzes Land versank in Trauer. Ich weiß noch, dass in der Kathedrale von Birmingham ein Kondolenzbuch auslag. Die Schlangen davor waren selbst für englische Verhältnisse enorm. Auch das Blumenmeer. Um die Welt gingen natürlich die Bilder aus London, aber auch in Birmingham, der zweitgrößten Stadt des Landes, waren die Menschen untröstlich.

Endlich brechen die Söhne ihr Schweigen

Und das blieben sie auch und erweichten damit schließlich sogar das Herz ihrer Königin, die sich damals in ihrem Schloss in Schottland verschanzte, unfähig der ungeliebten Ex-Schwiegertochter die letzte Ehre zu erweisen. Nie wieder war Elisabeth II. so unbeliebt wie in jenen Tagen. Als die Beerdigung Dianas, die dann doch einem Staatsbegräbnis glich, im Fernsehen übertragen wurde, heulte ich. Das Bild der beiden Jungs, William und Harry, die mit hängenden Köpfen dem Sarg ihrer Mutter – darauf der Umschlag mit nur dem einen Wort „Mommy“ – folgten, zerreißt mir noch immer das Herz.

Umso mehr kann man sich heute mit beiden freuen, dass sie nach 20 Jahren endlich den Mut gefunden haben, ihr Schweigen zu brechen, sich endlich auskotzen über zurückgehaltene Emotionen, das Funktionieren müssen im Dienste der Krone. Besonders Harry, der erst elf Jahre alt war, als seine Welt in Trümmern lag, wäre fast an den Folgen zerbrochen. Sein Bruder William ist längst selbst Ehemann und Vater und scheint mit der lebenslustigen Kate eine empathische Frau gefunden zu haben, die ihm Trost und Halt geben kann.

Kurz nach Dianas Trauerfeier verließ ich die Insel, im September 1997 heiratete meine Schwester. Ich brachte den Iren noch mit zur Feier, doch lange ließ sich unsere Beziehung nicht mehr am Leben erhalten. Wir hatten genug Pool gespielt und Darts geworfen und Pints geleert, der Zauber des Fremden und Neuen war dahin. Vielleicht wäre es bei Di and Dodi früher oder später auch so gekommen? Ihr Mercedes raste gegen den Betonpfeiler, als ihre Romanze in der Blüte stand.

„Good-bye England's rose“, sang Elton John zum Abschied für seine Freundin. Heute wäre Diana 56 Jahre alt. Vielleicht hätte sie inzwischen den Friedensnobelpreis gewonnen. Für ihr Engagement gegen Landminen – und weil sie die erste arabisch-britisch-königliche Patchwork-Familie der Welt gegründet hätte. „Your candle’s burned out long before. Your legend never will.“