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Erfundene Gewalttat Erfundene Gewalttat: Ein Dorf, 17 Flüchtlinge und eine Lüge

Von Bernhard Honnigfort 11.12.2014, 15:07
Die Tür eines Streifenwagen der Polizei steht offen.
Die Tür eines Streifenwagen der Polizei steht offen. dpa Lizenz

Großröhrsdorf - Mit Familien hatten sie gerechnet in Großröhrsdorf, einer hübschen alten Kleinstadt im Landkreis Bautzen östlich von Dresden, mit Kriegsflüchtlingen aus Syrien. Aber dann standen Anfang des Monats plötzlich 17 Männer im Ort, junge Kerle unterschiedlichster Nationalitäten, einige aus Tunesien, andere aus Russland. Asylbewerber, die in der Turnhalle untergebracht wurden.

Ausgerechnet in der Turnhalle, die eigentlich baufällig sein soll und deshalb den örtlichen Sportlern seit Monaten versperrt war. Damit fing alles an.

Es gab sofort Ärger, innerhalb und außerhalb des neuen Flüchtlingsheimes. Innerhalb: Es kam zu Gewalttätigkeiten unter den jungen Männer, die sich offensichtlich auf die Nerven gingen. Es kam zu Alkoholexzessen, einer randalierte, einer steckte Sachen in Brand. Einige  sagten, sie fühlten sich wie in einem Gefängnis. Mehrfach musste die Polizei anrücken. Und außerhalb: Gemurre. Wieso eigentlich Flüchtlinge aus einem „Urlaubsland?“, hieß es über die Tunesier. „Kriegsflüchtlinge ja, Wirtschaftsflüchtlinge nein.“

Angeblich bewusstlos geschlagen

Dann drohte alles ins Rutschen zu geraten: Ein junger Mann aus der Stadt erzählte, er sei beim Spaziergang angegriffen und bewusstlos geschlagen worden. Der 23-Jährige sagte vor der Polizei aus, er sei von einem „südländischen Typ“ in der Nähe des Flüchtlingsheimes attackiert worden. Der junge Mann hatte sogar Verletzungen vorzuweisen. Das war am 5. Dezember.

Plötzlich kochte die Angst hoch im kleinen Großröhrsdorf. Die Nachbarn, Eltern. Man fürchtete sich. „Nordafrikanische Männer haben nun mal einen anderen Umgang mit Frauen“, umschrieb Pfarrer Stefan Schwarzenberg von der evangelischen Stadtkirche höflich, was ihm über die Angst der Leute zu Ohren gekommen war. „Diese Anhäufung von Ereignissen... in der Stadt liegen die Nerven blank“, sagte Schwarzenberg, als auch noch der Überfall auf den jungen Mann passiert war. „Wir wollen doch an unserer Willkommenskultur festhalten, Flüchtlingen unsere Stadt und Kultur nahe bringen - doch jetzt kippt die Stimmung.“

Unglaubwürdige Aussagen

Nach dem Überfall beschloss das Landratsamt in Bautzen, die gerade erst vier Tage zuvor eröffnete Flüchtlingsunterkunft wieder dicht zu machen. Weihnachten sei Schluss, die Flüchtlinge würden auf andere Orte verteilt. Und dann, am 10. Dezember, nahm die Geschichte wieder eine neue Wendung.

Die Staatsanwaltschaft Görlitz teilte mit, der 23-jährige Mann aus Großröhrsdorf sei überhaupt nicht überfallen worden. Was er erzählt habe, war den Ermittlern unstimmig und wenig glaubwürdig erschienen. Irgendwann sei er dann mit der Wahrheit herausgerückt: Alles erfunden.

Als sie das angebliche Opfer mit all den Unstimmigkeiten konfrontierten, gestand er, sich die Verletzungen selbst zugefügt zu haben.

Über Motiv und Hintergründe rätseln die Ermittler noch. Der junge Mann habe bislang nur erklärt, den erfundenen Angriff Ausländern in die Schuhe geschoben zu haben. Seine Begründung: Weil diese seit Tagen im Ort „Blödsinn machen" würden.