Erdbeben in Nepal Erdbeben in Nepal: Nahrung für Erdbeben-Überlebende droht knapp zu werden

Am kleinen Tribhuvan Flughafen von Kathmandu drängen sich in der Abflughalle Nepalis und Touristen, die so bald wie möglich abfliegen wollen. Vor dem Gebäude lagern Überlebende des Erdbebens im nasskalten Regen. Geduld ist Mangelware an einem der wenigen Orte Nepals, an dem man gegenwärtig aus dem vom Erdbeben erschütterten Land auf dem Dach der Welt entkommen kann.
„Mich haben sie nicht mitgenommen, weil ich einen britischen Pass habe“, schimpft die 39-jährige Universitätsdozentin Padmi Ray Murray telefonisch gegenüber einem Fernsehsender in Delhi. Sie musste bleiben, weil sie einen der sonst in Indien so begehrten britischen Pässe besitzt. Ihre Freundin mit indischem Pass konnte dagegen an Bord eines Hilfsflugzeugs aus Delhi dem chaotischen Desaster entkommen.
Vielen geht das Bargeld aus, weil angesichts der unterbrochenen Stromversorgung Geldautomaten nicht funktionieren. Auch die Verkehrs- und Hilfsmaschinen, die Kathmandu erreichen wollen, müssen sich auf Wartezeiten einstellen. Der kleine Flughafen des sonst eher verträumten Landes bietet gerade mal sechs Parkmöglichkeiten.
Zumindest die Hauptstadt quillt dennoch von Helfern über. „Es werden keine städtischen Rettungs- und Suchmannschaften mehr benötigt“, heißt es auf der Webseite von GDACS, dem gemeinsam von den Vereinten Nationen und der Europäischen Kommission betriebenen „Global Disaster Alert and Coordination System“. Zumindest für Hilfsflüge wurde mittlerweile der Flughafen in der Nähe der Stadt Pokhara, auch als Tor zum Annapurna bekannt, geöffnet. Die Stadt lag nahe dem Epizentrum des Bebens und ist weitaus schlimmer zerstört als Kathmandu.
Inzwischen wissen die Behörden immerhin, dass die Hälfte des Landes von dem „großen Beben“ betroffen ist, auf das Nepal seit 80 Jahren wartete und sich kaum vorbereitete. 35 der insgesamt 70 Distrikte sind verwüstet. Im Gorkha-Distrikt, wurde laut Schätzungen der Vereinten Nationen etwa die Hälfte der Häuser zerstört. Die Heimat der weltweit bekannten Gurkha-Soldaten mit der alten Königsstadt und den berühmten Tempeln ist ein beliebtes Touristenziel.
Komplette drei Meter rückten die Hauptstadt und Teile des Landes Richtung Süden, als sich am Samstag in nur zehn Kilometer Tiefe die tektonische Platte Indiens mit der Gewalt von 20 Wasserstoffbomben zwei Meter über die eurasische Platte schob und sogar den Mount Everest ins Wanken brachte. Aber Kathmandu, in dem während der vergangenen Jahre monatlich 6000 neue Wohnungen gebaut wurden, kam glimpflicher davon als befürchtet.
Eine Ursache des wilden Baubooms ist die chaotische politische Lage. 2006 endete ein Krieg zwischen Maoisten und den Streitkräften mit der Abschaffung der Monarchie. Seither basteln politische Kontrahenten an einer Verfassung und Wahlen. Um die wirklichen Sorgen des Landes wie das drohende Erdbeben kümmerten sich weder Verwaltung noch Politik. Dabei hatten Experten bereits vor zwei Jahren im Falle eines Erdbebens Tausende von Toten und eine Obdachlosenzahl von rund 70 Prozent der auf drei bis fünf Millionen geschätzten Einwohner Kathmandus vorhergesagt.
Wer von den überlebenden Bewohnern der Hauptstadt nicht zu Verwandten aufs Land flüchten kann, kampiert nun in notdürftigen Zelten. Straßen müssen ebenso als improvisierte Siedlungen herhalten wie Golfplätze und der Garten des Königspalasts. Kaum jemand traut noch den Wohngebäuden. „Kathmandu hat eine schnelle Urbanisierung erlebt, die den weiterverbreiteten Bau von Gebäuden einschließt, die zu schwach sind, um einem Erdbeben zu widerstehen“, heißt es in einem Bericht der US-Hilfsorganisation USAID.
Inzwischen droht bereits eine zweite Katastrophe: Schon im Jahr 2013 warnte Amir Ismail, der damalige Direktor des „World Food Programm“, dass wegen der Engpässe am internationalen Flughafen und den wenigen schwer beschädigten Straßen im Land nur zehn Prozent der im Ernstfall betroffenen mit Nahrungsmitteln versorgt werden könnten.
Tatsächlich sind noch immer zahlreiche Bergdörfer von der Außenwelt abgeschnitten. Dass die wenigen Helikopter im Land auch zur Rettung der Bergsteiger am Mount Everest eingesetzt wurden stieß auf Kritik.