Charly der Erfinder Elektroauto auf Mallorca: Charly baut Oldtimer mit Elektromotor

Mallorca - Eléctrico! Wo immer Karl-Heinz Bosch auf Mallorca mit seinem Auto auftaucht, zaubert es den Menschen ein Lächeln ins Gesicht. Eléctrico, rufen dann manche Mallorquiner und sind wohl oft auch froh, dass sie nicht gerade von diesem geräuschlosen Auto überfahren wurden, weil sie es nicht bemerkt hatten, ein choche eléctrico, ein Elektroauto.
Manchen treibt das Auto für einen Moment aber auch die Falten auf die Stirn, denn das Ding sieht aus wie ein Oldtimer. Doch unter der Alu-Karosse werkelt modernste Elektrotechnik.
Von Deutschland nach Spanien
Karl-Heinz Bosch hat den Silberling auf Mallorca selbst entwickelt und gebaut, zwei Jahre lang. Und dann hat der Tüv Rheinland das Unikum anstandslos abgenommen. Stolz zeigt er aufs Nummernschild mit der Tüv-Plakette: SIG L 1920. Bosch strahlt und stellt erstmal klar: „Ich bin der Charly, und wie heißt du?“
Kein Mensch nennt den Karl-Heinz mit dem deutschen Erfindernamen Karl-Heinz. Das hat der 51-Jährige durchgesetzt, auch gegen das überfallartige „Du“ kann man sich nicht wehren. Mit der Bosch-Sippe habe er nichts zu tun.
Vor zwölf Jahren wanderte er aus Deutschland nach Teneriffa aus, vor drei Jahren siedelte er nach Mallorca über. Im Gewerbegebiet von Santa Ponsa baute Charly seine Autofirma auf, links eine Glaserei, rechts lagert die mallorquinische Polizei Unfallautos.
Die Post geht ab
Über dem Eingang seiner Firma prangt das Firmenlogo: „Loryc“. So heißen Auto und Unternehmen. Hintenraus werden in einer Halle Autos gebaut, von Bosch und zwei Mitarbeitern aus Deutschland bzw. Spanien, alles Handarbeit mit feinsten Werkzeugen.
Vorn im weitgehend leeren „Showroom“ steht sein 600 PS-Porsche, abgedeckt mit einer Plane. Aber seit er die Idee mit dem Elektroauto hatte, fährt er den Kraftprotz kaum noch.
Jetzt will Charly ein bisschen die Welt retten und sich dabei nebenher selbst entschleunigen - mit sauberen, leisen, vernünftigen Autos „Made in Mallorca“. Dass man den „Loryc Electric Speedster“ nur selten auf der Insel sieht, hat einen einfachen Grund: Bislang gibt es nur den einen.
Wenn Charly Bosch seinen Erstling durch die Kurven des mallorquinischen Tramuntana-Gebirges treibt, kommt der Porsche-Mann in ihm durch: „Manchmal fahre ich wie Sau“. Nein, nicht schneller als erlaubt. Aber sein „Loryc“ hat eben das, was alle Stromer haben. Vom Start weg geht die Post ab.
Vom Autobau „eigentlich“ keine Ahnung
Denn Elektromotoren schicken nahezu von Beginn an fast das volle Drehmoment auf die Räder. Angetrieben wird der „Loryc“ von einem 20-PS-Elektromotor, der kurzzeitig maximal 64 PS produzieren kann. Das reicht für 90 km/h.
Auf dem Tüv-Teststand bekam Charly Bosch für seinen Stromer eine theoretische Reichweite von 264 km bestätigt. In der Praxis reicht der Saft für rund 210 km. Das Auto ist etwa so lang wie ein Ford Fiesta, aber 1,74 m breit. Das lässt es größer, massiger wirken. 800 Kilo wiegt es, davon die Batterie 350 Kilo.
Vom Autobau hat Charly Bosch eigentlich keine Ahnung. Sagt er. Er sei von Beruf Erfinder. So steht es auf seiner Visitenkarte: „Charly Bosch, Inventor“. Davon lebt er schon sein ganzes Leben lang. Bei einer Firma war er noch nie angestellt.
Viele Patente und Blick auf die Zukunft
An die 20 Patente sind beim Patentamt in München unter seinem Namen registriert, alles keine, die die Welt verändern, aber alle welche, die staunen lassen: Wie kommt einer auf so etwas?
Karl-Heinz Bosch erfand Papier, mit dem man schreiben kann. Er dachte sich eine Vorrichtung aus, die Menschen auf dem PC-Schirm daran erinnert, dass sie regelmäßig trinken. Seinen großen Coup, der ihn offenbar finanziell unabhängig machte, landete er mit der Entwicklung eines Verfahrens zur „Herstellung von Schlüsselrohlingen und/oder zur Herstellung von vollständigen Nachschlüsseln“. Unter der Nummer DE4204534A1 ist das am 15. Februar 1992 beim Patentamt eingetragen.
Wie man auf so etwas kommt? Er habe sich ein „jungfräuliches Gehirn“ bewahrt, das nie glaube, dass die Dinge schon „fertig und vollkommen sind“. Ein Verrückter sei er nicht, sagt er energisch.
Irgendwann hat er Einzelhandelskaufmann gelernt und mal kurz in Esslingen Schrauben verkauft, aber das ist lange her, Vergangenheit. Über seine Vergangenheit rede er aber nicht gerne, mehrfach will er bei hartnäckiger Neugier das Gespräch abbrechen.
Charly hat sich seine eigene Philosophie gezimmert: „Für die Zukunft brauche ich keine Vergangenheit, ich lebe jetzt.“ Sein Eléctrico stellt diese These aber auf den Kopf. Denn ohne den Blick zurück hätte er seinen „Loryc“ nie entwickelt.
Unter diesem Namen wurden von 1920 bis 1925 auf Mallorca Autos gebaut, nur 115 Stück insgesamt, dann war die Firma „Loryc“ pleite. Bei den Mallorquinern hatte das Auto da schon seinen Namen weg: Sardine.
Oldtimer-Fans sind empört
Ganze sechs Exemplare gibt es heute noch, eins gehört Charly. Das hat er einer mallorquinischen Familie abgekauft und die Namensrechte gleich noch dazu: Loryc. Das steht für die Anfangsbuchstaben der Firmengründer von 1920: Lacy, Ouvard, Ribas, Cia - das Y steht im Spanischen für „und“.
Aus diesem Oldtimer baute er, schon ganz auf dem grünen Trip, den Benzinmotor aus und setzte einen Elektromotor rein. In sozialen Netzwerken hagelt es danach Proteste von Oldtimer-Fans. „Kulturgut wird unwiederbringlich zerstört!“.
Charly sieht das gelassen. „Ist es Kultur, die Welt mit Abgasen zu verpesten?“ Ganz glücklich ist er aber dann mit seinem Strom-Oldtimer doch nicht und beschließt, einen komplett neuen elektrischen „Loryc“ zu konstruieren - und erntet für die Idee viel Gelächter.
Charly ist Autodidakt fürs Leben
Aber das hält der Erfinder in ihm locker aus. Warum soll er das nicht können? „Der Mensch erfindet, weil er es einfach kann“, dieser Satz gehört zu seinen Lebensweisheiten.
„Was ich beim Autobauen nicht konnte, habe ich gelernt“, sagt Charly. Aluminium schweißen etwa. Das habe er sich mit Youtube Videos angeeignet. Und wie dengelt man das spitze Alu-Heck des „Loryc“ so formvollendet? Wie baut man einen starren Rahmen, der „anfangs weich wie ein Regenwurm war“? Wie macht man die Lenksäule sicher? Charly findet auf alles Antworten.
Selbst die schlichte Elektrik im „Loryc“ hat Bosch so gekonnt abgeschirmt, dass ihre Elektrowellen die Hightech-Steuertechnik eines 7er BMW nicht stören, sagt der Tüv. Nur vorn am Kühler muss ihn Verunsicherung gepackt haben. Warum ist da eine 21 drauf? Wisse er nicht, sagt der Mann, der kein Detail dem Zufall überlässt. Dort sah es irgendwie leer aus. Und die 21? Bedeute nichts. Es hätte auch eine 53 sein können.
Teile aus aller Welt
Die Bauteile für den „Loryc“ kauft sich Bosch zusammen. In Asien bekommt er Speicherzellen für den Lithium-Eisenphosphat-Akku, die er nach eigenen Ideen zur Kraftquelle kombiniert. Den Elektromotor findet er bei „Schwarz Elektromotoren Rehau“.
Anfangs skeptischen Opel-Managern leiert er die Scheibenbremsen vom Corsa aus dem Kreuz, und im sächsischen Heidenau bekommt er die passenden Reifen für die Speichenräder. „Hätten die mich alle für einen Spinner gehalten, hätten sie nicht mitgemacht“, wehrt er Zweifel ab.
Das zweite Auto ist schon in Arbeit. Die ersten Blechteile sind bereits gedengelt, das kantige Chassis steht in der Werkstatthalle. Ab und an kommen die ersten Interessenten. Sie wollen mit eigenen Augen sehen, wofür sie möglicherweise 120.000 Euro ausgeben sollen.
Testfahrt überzeugt
Reich werde er wohl mit seiner Manufaktur nicht, mutmaßt Charly Bosch, denn solche Käufer müssten erstmal gefunden werden. Aber natürlich hat er einen Plan B.
Mit mehreren „Lorycs“ will er Touristen über die Insel kutschieren, was allerdings auch kein Schnäppchen wird. Für den Tarif kann man sich wochenlang einen Mietwagen nehmen. „Na und“, sagt Charly gereizt, „das wird schon. Komm, lass uns fahren! Willst Du selbst?“ Klar!
Schnurrendes Auto mit Riesen-Lenkrad
Linken Fuß aufs Trittbrett gesetzt und das rechte Bein halbwegs elegant in den Innenraum geschwungen. Türen gibt es nicht. Man sitzt wie in einer großen Wanne, sehr geräumig. Knallrote Ledersitze nehmen die Insassen auf, zu ihren Füßen Holzplanken wie auf einem Schiffsdeck.
Der kleine Metallschlüssel will automatisch irgendwo rechts hin, aber das Zündschloss liegt wie beim Porsche links. Rumgedreht, gelauscht. Nichts. Gut so. Denn der E-Motor ist an, eine von fünf Anzeigen signalisiert das. Dann schnurrt er kraftvoll los. Was für ein Riesen-Lenkrad! Geht aber sehr präzise und leicht.
Auto drückt uns ins Leder
Auf der Landstraße hinter Calvia überspringen wir die 60. Windschutz gleich null. Es rumpelt noch etwas, es scheppert manchmal. Das werde noch, beruhigt Bosch. Keine elektronischen Helfer bügeln das Fahrgefühl glatt.
So ursprünglich kann Autofahren sein. Am Berg ermuntert der Konstrukteur den Fahrer: „Schalt mal auf Power“. Also umgelegt das Messinghebelchen rechts vom Lenkrad: Power. Die kurzzeitige Portion Extra-Kraft drückt uns mächtig ins Leder, als wir mit Effet durch die endlosen Bergkurven über dem Mittelmeer wedeln. Wow! So muss es sein, wenn der Erfinder selbst fährt - wie Sau eben. (mz)
Mehr unter: www.LorycMallorca.com. Fotos, Video auf: www.mz-web.de/loryc