Erstaunliche SchlüsseEin Tüftler, der Pech hatte? Ex-Profiler Axel Petermann hält DHL-Erpresser für fachlich versiert

Halle (Saale) - Ein oder mehrere Erpresser verlangen von der Pakettochter der Deutschen Post eine Millionensumme und drohen mit Bomben. Eine Art Nagelbombe, die am vergangenen Freitag bei einem Apotheker am Potsdamer Weihnachtsmarkt angeliefert worden war, konnte unschädlich gemacht werden konnte. Ein anderes Paket war ein Monat zuvor in Frankfurt (Oder) in Flammen aufgegangen. Wer tut so etwas, noch dazu mitten im Vorweihnachtsgeschäft? Mit dem früheren Bremer Profiler Axel Petermann, dessen jüngstes Buch „Der Profiler: Ein Spezialist für ungeklärte Morde“ heißt, sprach Hajo Krämer über die möglichen Täter-Hintergründe.
Herr Petermann, wie ticken der oder die Täter? Sind die im wahrsten Sinne des Wortes wie tickende Zeitbomben, die sehr gefährlich werden können ?
Axel Petermann: Erpresser sind in der Regel Einzeltäter. Die können aber durchaus das Vorgehen einer Gruppe simulieren oder behaupten, zu einer Gruppe bis hin zur Mafia zu gehören. Damit versuchen sie, von sich abzulenken und zugleich ihre Macht und Entschlossenheit zu demonstrieren. Im Fall der DHL-Erpressung denke ich schon, dass ein hohes Gefährdungspotenzial besteht. Die erste Paketsendung an eine Elektronikfachgeschäft war ja nicht unbedingt eine Attrappe, sie ist tatsächlich in Flammen aufgegangen.
Was sagt denn das Vorgehen über das Täterprofil aus?
Petermann: Der Täter hat sich durchaus vorher mit Sprengfallen oder Brandvorrichtungen beschäftigt, aber es ist nicht auszuschließen, dass sie vielleicht unbeabsichtigt hochgehen. Vermutlich hat er eine Affinität zur Elektrotechnik. Denn warum hat er sein erstes Paket gerade in ein Fachgeschäft geschickt? Der Täter erinnert mich an so eine Art Bastler, Tüftler. Beim ersten Mal hat er vielleicht Pech gehabt: Sein Erpresserhinweis ist vielleicht in den Flammen verbrannt. Deshalb ein zweites Päckchen, durch das die DHL-Erpressung bekannt wird. Er hat offensichtlich gelernt.
Welches Motiv könnte denn der Erpresser haben?
Petermann: Es kann schon ein großes Machtgefühl bescheren, in jeder Nachrichtensendung vorn zu stehen, Angst in der Bevölkerung auszulösen oder sich darin zu sonnen, dass sich viele Menschen mit seiner Sache beschäftigen. Die Geldforderung an DHL ist mit einer kleinen Millionensumme aber eher moderat. Der Täter scheint die Summe zu verlangen, die er für sein weiteres Leben für angemessen hält - und um vermutlich auch seine Schulden zurückzuzahlen.
Gibt es denn Auffälligkeiten, die diesen Erpresser-Fall von anderen unterscheidet?
Petermann: Ja. Bei „normalen“ Erpressungen bekommt die Geschäftsführung von einem oder mehreren Konzernen eine Nachricht mit Geldforderungen und Handlungsanweisungen, wie es weitergeht und der Kontakt mit dem Erpresser zustande kommt. Und natürlich fehlt die Androhung nicht, was passiert, wenn nicht gezahlt wird. Und dann entwickelt sich das durch Aktion und Reaktion.
Im jetzigen DHL-Fall hat der Erpresser sein Machtpotenzial schon mit dem ersten Paket demonstriert, das in Flammen aufgegangen ist. Das ist unüblich bei solch einem ersten Kontakt. Das erinnert mich an den jüngsten Fall, wo der Erpresser vor dem ersten Kontakt mit seiner Zielfirma bereits vergiftete Baby-Nahrung im Supermarkt platziert hatte. So eine sofortige Machtdemonstration kam bisher nur sehr selten vor.
Welche möglichen Ermittlungsansätze ergeben sich denn aus diesem Profil?
Petermann: Zuerst müssen die üblichen Fragen beantwortet werden: Wo kommen Paketinhalte und Behältnisse her? Warum hat er die gerade an ein Elektronikfachgeschäft und an eine Apotheke gesandt? Darüber hinaus gibt es hier einige Ansätze: Gab es Auffälligkeiten bei DHL-Kunden, die großen Ärger hatten und sich vielleicht ihrem Ärger Luft machen wollen? Gibt es frustrierte, vielleicht kürzlich aus fadenscheinigen Gründen entlassene DHL-Mitarbeiter oder extrem unzufriedene Zusteller?
Wie könnte der Erpresser denn jetzt weiter verfahren?
Petermann: Es ist nicht unbedingt gesagt, dass er weitermacht. Vielleicht ist er beeindruckt von der ganzen öffentlichen Aufregung und hat Angst, ermittelt zu werden. Aber das wird sich zeigen. (mz)
