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Duisburg Duisburg: Suche nach Schuldigen der Loveparade-Tragödie hat begonnen

25.07.2010, 12:53
Kreide markiert in Duisburg die Lage der Leichen am Unglücksort. Bei einer Panik auf dem Gelände der Loveparade sind am Samstag 19 Menschen ums Leben gekommen, 342 Menschen wurden verletzt. (FOTO: DPA)
Kreide markiert in Duisburg die Lage der Leichen am Unglücksort. Bei einer Panik auf dem Gelände der Loveparade sind am Samstag 19 Menschen ums Leben gekommen, 342 Menschen wurden verletzt. (FOTO: DPA) dpa

Duisburg/ddp. - Die Staatsanwaltschaft nahm dieErmittlungen zur Unglücksursache auf. Bislang gingen bei den Behördenzwei Strafanzeigen ein. Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland(CDU) kündigte eine lückenlose Aufklärung der Unglücksursache an.Unterdessen wurde heftige Kritik am Sicherheitskonzept laut. Derweilverkündeten die Organisatoren das Aus der Loveparade.

Ausgangspunkt der Tragödie war ein rund 300 Meter langer Tunnel,in dessen Mitte sich ein gepflasterter Aufgang zum Festivalgelände,dem alten Duisburger Güterbahnhof, befindet. Augenzeugen berichteten,dass an dieser Stelle dichtes Gedränge und Geschubse geherrscht habe.Nach Polizeiangaben wollten einige Menschen eine Mauer und Treppehinaufklettern. Als sie abstürzten, brach laut Polizei Panik aus.Augenzeugen sagten indes, dass niemand abgestürzt sei. Der Tunnel seivielmehr so voll gewesen, dass Menschen zu Tode getrampelt wordenseien. Ein Polizeisprecher dementierte dies.

Der westliche Tunnel zum Gelände war nach Angaben desstellvertretenden Polizeipräsidenten von Duisburg, Detlef vonSchmeling, bis zum Unglück der einzige Zu- und Abgang zur Loveparade.Nach Bekanntwerden der Todesfälle sei der südliche Tunnel geöffnetworden. Die bisher genannte Zahl von 1,4 Millionen Besucher bei derLoveparade konnte Schmeling nicht bestätigen.

Nach Angaben von Schmeling wurden bislang 16 der 19 Totenidentifiziert. Alle seien im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Unterden Opfern seien vier Ausländer, ein Niederländer, ein Italiener, einAustralier und ein Chinese. Von den getöteten Besuchern sei keiner imTunnel zum Veranstaltungsgelände ums Leben gekommen. 14 seien voneiner Metalltreppe an der westlichen Seite des Zugangs gestürzt, zweiseien an einer Plakatwand am Aufgang zum Gelände ums Leben gekommen.Die anderen starben im Krankenhaus.

Rund 100 Notfallseelsorger waren im Einsatz, um sich um Verletzteund Angehörige von Betroffenen zu kümmern. Jens Peter Iven von derEvangelischen Kirche im Rheinland sprach von einem der größtenEinsätze von Notfallseelsorgern in Deutschland.

Sicherheitskräfte hatten nach Angaben der DeutschenPolizeigewerkschaft bereits vor der diesjährigen Loveparade massiveVorbehalte geäußert. Das Duisburger Veranstaltungsgelände sei viel zuklein für den erwarteten Besucherandrang gewesen, sagte derstellvertretende Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft, WolfgangOrscheschek. Die Stadt sei bei der Planung der Loveparade vonVeranstalterseite derart in die Enge getrieben worden, dass sie trotz«eindringlicher Warnungen aus dem Sicherheitsbereich» nur habe «Ja»sagen können.

Schmeling verteidigte derweil das Sicherheitskonzept. Teil davonsei die Regulierung der Besucherströme zum Tunnelzugang gewesen, dieauch erfolgt sei. Teilnehmern sei zu keinem Zeitpunkt der Zugang zumGelände versperrt gewesen. Laut Schmeling hatte die Polizei keineeigenen Kameras zur Beobachtung der Menschenmassen in dem Tunnel,sondern beobachtete die Lage per Hubschrauber. Nach Angaben einesSprechers der Loveparade hatten die Veranstalter Kameras installiert.Über das Material könne er aber noch nichts sagen.

Der Verhaltensbiologe Jens Krause von der BerlinerHumboldt-Universität sagte, die Massenpanik hätte von den Ordnernkaum verhindert werden können. «Sicherheitskräfte sind in so einemFall auch machtlos, ein einzelner kann da nicht eingreifen», fügteKrause hinzu, dessen Team das Verhalten von großen Menschenmengen undTierschwärmen erforscht. Die Wahl des Festgeländes sieht erallerdings kritisch. «Der Tunnel ist ein Flaschenhals, da komprimiertsich die Menge», sagte er. Engstellen wie diese seien immergefährlich und müssten kontrolliert werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte am Sonntag inBayreuth umfassende Untersuchungen zum Unglück bei der DuisburgerLoveparade. «Wir müssen alles tun, damit sich so etwas nichtwiederholt», betonte die Kanzlerin. Auch die Eltern, die ihre Kinderzu so einer Großveranstaltung ließen, müssten sicher sein können,«dass so etwas nie nie wieder passiert».

In Duisburg machten sich derweil Nordrhein-WestfalensMinisterpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sowie KanzleramtsministerRonald Pofalla und Bundesministerin Kristina Schröder (beide CDU)gemeinsam ein Bild von der Lage vor Ort. Kraft legte am Sonntag ander Unglücksstelle einen Blumenstrauß nieder.

Loveparade-Geschäftsführer Rainer Schaller zeigte sich tiefbetroffen und sagte: «Worte reichen nicht aus, um das Maß meinerErschütterung zu erklären.» Die Loveparade sei immer eine fröhlicheund friedliche Veranstaltung gewesen. Sie wäre in Zukunft stets vonden tragischen Ereignissen in Duisburg überschattet worden. Dasbedeute das Aus der Loveparade.

Die Ruhr.2010 kündigte derweil an, ihr nächste Großveranstaltungden Opfern der Loveparade-Katastrophe zu widmen. Am 12. Septemberwird im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres in Duisburg die 8. Sinfonievon Gustav Mahler, die «Sinfonie der 1000», aufgeführt, wieRuhr.2010-Sprecher Marc Oliver Hänig sagte.

Hotline der Polizei für traumatisierte Teilnehmer: 0201/82 98 091

Hotline für Angehörige von Opfern: 0203/94 000

E-Mail-Adresse: [email protected]

Zettel mit der Frage «Warum ?» liegen an der Unglücksstelle in Duisburg. Nur wenige Meter entfernt sind 19 Menschen zu Tode gekommen und eine sehr hohe Anzahl Menschen zum Teil schwer verletzt worden. (FOTO: DPA)
Zettel mit der Frage «Warum ?» liegen an der Unglücksstelle in Duisburg. Nur wenige Meter entfernt sind 19 Menschen zu Tode gekommen und eine sehr hohe Anzahl Menschen zum Teil schwer verletzt worden. (FOTO: DPA)
dpa
So kam es zu dem Unglück (GRAFIK: DPA)
So kam es zu dem Unglück (GRAFIK: DPA)
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